Festgenommen

„Glaubt Propaganda nicht“: Frau unterbricht russische Nachrichtensendung mit Antikriegsplakat

Widerstand im russischen Staatsfernsehen: Im Hintergrund ist die Frau mit ihrem Plakat zu sehen. Sie soll selbst beim Fernsehsender gearbeitet haben, der sich freilich streng an die Kreml-Linie hält.
Widerstand im russischen Staatsfernsehen: Im Hintergrund ist die Frau mit ihrem Plakat zu sehen. Sie soll selbst beim Fernsehsender gearbeitet haben, der sich freilich streng an die Kreml-Linie hält.(Screenshot)
  • Drucken

Marina Owsjannikowa sprang während einer Live-Übertragung ins Bild und hielt ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen" hoch. Danach soll sie festgenommen worden sein.

Mit einem Protestplakat und lauten Rufen hat eine Kriegsgegnerin für eine Unterbrechung der abendlichen Hauptnachrichtensendung des staatlichen russischen Fernsehsenders Kanal 1 gesorgt. Während der Live-Übertragung am Montag um 21.00 Uhr Moskauer Zeit (19.00 Uhr MEZ) sprang die Frau - es soll sich um die TV-Mitarbeiterin Marina Owsjannikowa handeln - plötzlich hinter Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa ins Bild und hielt ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen" hoch.

Dazu rief sie mehrmals laut: "Nein zum Krieg, Nein zum Krieg, Nein zum Krieg!" Anschließend brach die Übertragung ab und es wurden Bilder aus einem Krankenhaus gezeigt. In Russland ist es Medien verboten, den russischen Einmarsch in die Ukraine als "Krieg" oder "Invasion" zu benennen. Stattdessen ist offiziell von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede. Der außergewöhnliche Protest fand am 19. Tag des Kriegs statt, der mit dem Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine am 24. Februar begonnen hat.

Der russische Präsidialamtssprecher Sprecher Dmitri Peskow hat sich dazu geäußert: Er sprach Reuters zufolge von "Hooliganism" (Rowdytum) und lobte Fernsehsender Kanal 1, der sich strikt an die Putin-Linie hält.

"Was Mut wirklich bedeutet"

Vor allem russische Oppositionelle lobten die Frau für ihren Mut. "Was Mut wirklich bedeutet", twitterte der Pianist Igor Levit. Auch der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny begrüßte die Aktion. Seine Sprecherin Kira Jarmisch twitterte: "Wow, das Mädchen ist cool." Jarmisch lud das Video hoch, das sich in kürzester Zeit mehr als 2,6 Millionen Menschen ansahen.

Aktion zuvor angekündigt: „Krieg ist Verbrechen"

Medienberichten zufolge handelt es sich bei der Frau um Marina Owsjannikowa, davor selbst Mitarbeiterin des Staatsfernsehens, die ihre Protestaktion zuvor in sozialen Netzwerken angekündigt haben soll. Darin hatte sie ihre politische Position erklärt - und betont, sich für ihre Stelle beim Staatsfernsehen zu schämen.

Sie trägt in der Videobotschaft eine Kette mit den Farben der Flaggen Russlands und der Ukraine und nimmt unter anderem Bezug auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 sowie die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny.

Als Begründung soll sie angegeben haben, dass ihr Vater Ukrainer und der Krieg gegen das Nachbarland ein "Verbrechen" sei, für das Kremlchef Wladimir Putin verantwortlich sei. „Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter ist Russin - und sie waren nie Feinde. Diese Kette an meinem Hals ist wie ein Symbol dafür, dass Russland den Bruderkrieg sofort stoppen muss und unsere Brudervölker sich noch versöhnen können“, sagt sie.

Und zu ihrer Arbeit beim Staatssender: „In den vergangenen Jahren habe ich leider beim Ersten Kanal gearbeitet und mich mit Kreml-Propaganda beschäftigt. Ich schäme mich jetzt sehr dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass vom TV-Bildschirm gelogen wurde. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass Russen in Zombies verwandelt wurden."

„Sie können uns nicht alle einsperren":

2014 habe man geschwiegen, „als das alles anfing“, so Marina Owsjannikowa. „Wir sind nicht für Demonstrationen rausgekommen, als der Kreml Nawalny vergiftet hat. Wir haben dieses menschenfeindliche Regime einfach nur stillschweigend beobachtet. Jetzt hat sich die ganze Welt von uns abgewendet. Und noch zehn Generationen unserer Nachfahren werden sich von der Schande dieses Brudermord-Krieges nicht reinwaschen können.“ Sie ruft zu Protesten auf: „Wir, die russischen Menschen, können denken und sind klug. Es liegt nur an uns, diesen ganzen Wahnsinn zu beenden. Geht demonstrieren. Fürchtet nichts. Sie können uns nicht alle einsperren."

Owsjannikowa soll im Anschluss an ihre Aktion festgenommen worden sein. Kanal 1 sprach in einer Mitteilung lediglich von einem "Vorfall" während der Sendung "Wremja" und kündigte eine interne Prüfung an. Das Staatsfernsehen ist die Hauptnachrichtenquelle für viele Millionen Russen.

(APA/dpa/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.