Verkehrsberuhigung

NGOs warnen vor geplanter Überwachung der Zufahrten zur Wiener Innenstadt

Clemens Fabry
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Die Stadt plant Kameras an den Zufahrten in die Innenstadt zu installieren, um eine Verkehrsberuhigung zu erzielen. Organisationen wie Epicenter Works und Amnesty International üben scharfe Kritik.

Umwelt-, Datenschutz- bzw. Menschenrechts-Organisationen warnen vor einer möglichen Videoüberwachung der Einfahrtsstraßen zur Wiener Innenstadt. Diese soll zur geplanten Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk beitragen. Die NGOs - darunter die Grundrechts-Plattform Epicenter Works, Amnesty International und System Change not Climate Change - sehen insbesondere die Kennzeichenerfassung kritisch. Sie bezweifeln, dass es dabei bleibt.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte im Jänner eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt an. Gelingen solle das mit einer Überwachung der Zufahrtsstraßen zum ersten Bezirks. Ziel sei es, ein Modell zu installieren, das auf einem elektronischen Kamera- bzw. Überwachungssystem der Ein- und Ausfahrten basiert, hieß es. Durch die Begrenzung der Kfz-Zufahrten solle mehr Platz für Grünraum geschaffen werden und in weiterer Folge auch Verkehrslärm und CO2-Emissionen reduziert werden. Mittels Videokameras sollen die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen erfasst und kontrolliert werden, ob sie berechtigt sind, in die City zu fahren.

In einem offenen Brief haben sich die NGOs an Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) gewandt. Sie sprechen sich darin gegen die von der Stadt gewünschte Videoüberwachung zur Verkehrsberuhigung aus - die vom Bundesgesetzgeber ermöglicht werden müsste. "Wir bezweifeln, dass dies ein geeignetes Instrument zur Reduktion von Autoverkehr darstellt und warnen vor den negativen Konsequenzen für unsere Grund- und Menschenrechte", hieß es dazu auch in einer Aussendung.

„Modell hat Löcher, wie Schweizer Käse"

"Unseren Informationen zufolge plant die Stadt Wien an fast allen der 38 Zufahrten vom Ring in den ersten Bezirk Videokameras zu installieren und damit automatisch die Kennzeichen aller zu- und abfahrenden Autos zu erfassen." Gestraft werden solle, wer nicht im ersten Bezirk wohnt, kein Taxi oder Lkw ist und kein Gewerbe im Bezirk betreibt. Auch akkreditierte Zulieferer oder Hotelgäste sowie Personen, die ihr Auto in einem Parkhaus abstellen oder den Bezirk innerhalb von 30 Minuten wieder verlassen, sind von der Strafe ausgenommen "Das Modell hat fast so viele Löcher wie ein Schweizer Käse", konstatieren die Organisationen.

Es wäre verkehrspolitisch "zielführender und weitaus billiger", einen Teil der Parkplätze in der City umzuwidmen, anstatt den Großteil der Straßen mit vernetzen Kameras zu überwachen, befinden die Initiatoren. "Wir bezweifeln zudem, dass die technische und verwaltungsrechtliche Umsetzung dieses Vorhabens überhaupt so ausgestaltet werden könnte, dass ausschließlich Kennzeichen und nicht zusätzlich auch Bilder des Fahrzeugs oder der Lenkerinnen bzw. Lenker erfasst werden würden“, heißt es weiter in dem Brief.

Mögliche Überwachung von Passanten

Auch die Straße kreuzende Passanten oder Radfahrer könnten von der Videoüberwachung betroffen sein, mutmaßen die Organisationen. Außerdem müsste ein solches System zentral vernetzt sein, da eben Autos von Nicht-Berechtigten, die den Bezirk binnen 30 Minuten wieder verlassen oder die in ein Parkhaus fahren, nicht gestraft werden sollen. "Damit schafft die Stadt Wien einen Datenberg, von dem wir befürchten, dass er Begehrlichkeiten wecken wird und die Daten künftig auch für andere Zwecke verwendet werden."

Überdies finde in der Innenstadt ein großer Teil der Versammlungen in Wien statt, betonen die NGOs. "Eine Videoüberwachung dieses Ausmaßes lässt uns befürchten, dass sie eine abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung haben könnte, in Zukunft nicht mehr an Versammlungen in der Wiener Innenstadt teilzunehmen." Aufgerufen wird nun, "gelindere Mittel" anzuwenden. Die NGOs betonen jedoch, dass sie das Ziel einer Verkehrsberuhigung als "grundsätzlich unterstützenswert" erachten.

SPÖ verteidigt Konzept

Erich Valentin, SPÖ-Gemeinderatsmandatar und Vorsitzender des Verkehrs-Ausschusses, verteidigte das Konzept. In einer Aussendung versichert er, dass die kamerabasierte Zufahrtskontrolle der EU-Datenschutzgrundverordnung entspreche.

Es gehe dabei rein um Kennzeichenerfassung, um eine Zufahrt als erlaubt oder nicht erlaubt einzustufen. Fotos würden nur angefertigt, wenn Kraftfahrzeuge ein- bzw. ausfahren. Die Aufnahme werde bei legaler Einfahrt nach dem unmittelbaren Abgleich sofort gelöscht. "Diese Vorgehensweise entspricht jener der Section Control. Das rechtliche Interesse an der automationsunterstützten Überwachung und der Strafverfolgung ist in beiden Fällen gleich gelagert und dient in beiden Fällen der Verkehrssicherheit. Es werden nur Fotos von Fahrzeugen erstellt, Fußgänger und Fußgängerinnen oder Demonstranten und Demonstrantinnen werden nicht erfasst", erklärte Valentin die Überwachungsmethode.

(APA)

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