China verschärft den Druck vor Nobelpreisvergabe

China Liu Xiaobo
China Liu Xiaobo(c) REUTERS (Yuriko Nakao)
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China lässt vor der Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo seine Mitstreiter verschleppen. Der Stuhl des Preisträgers bleibt erstmals seit 74 Jahren leer.

Vor der Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo am Freitag in Oslo haben chinesische Behörden den Druck auf Kritiker in China und selbst auf Landsleute in Norwegen verstärkt. Ein enger Freund des Preisträgers und Mitverfasser der "Charta 08" für Demokratie und Menschenrechte in China sowie andere Aktivisten wurden durch Angehörige der chinesischen Staatssicherheit verschleppt, teilte die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders (CHRD) mit. Amnesty International berichtete, chinesische Diplomaten hätten in Norwegen ansässige Chinesen "systematisch unter Druck gesetzt", sich an Protesten gegen die Nobelpreiszeremonie in Oslo zu beteiligen.

Unter dem massiven Druck Chinas hatten mehrere Länder eine Teilnahme an der Zeremonie abgelehnt, darunter Russland, Saudi-Arabien, Ägypten, Pakistan, der Iran, Venezuela und Kuba. Die Ukraine und Argentinien dementierten jedoch, dass sie sich am Boykott beteiligen. Auch Serbien, das massive Kritik der Europäischen Union hatte einstecken müssen, rückte von seinem Boykott ab. So wird der Menschenrechts-Ombudsmann Serbiens nach Oslo reisen, um der Preisverleihung beizuwohnen. Die USA schicken demonstrativ die dritthöchste Amtsträgerin, Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi, nach Oslo.

Sessel des Preisträgers bleibt leer

Bei der Feier in Anwesenheit von Norwegens König Harald V. wird der Stuhl des Preisträgers erstmals seit 1936 völlig leer bleiben. Der 54-Jährige Liu Xiaobo, der vor einem Jahr wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, sitzt in einem Gefängnis in Jinzhou in Nordostchina. Seine Frau Liu Xiao wird in Peking ohne Kontakt zur Außenwelt unter Hausarrest gehalten. Auch seinen Anwälten wurde die Ausreise verweigert. Die demokratischen Kräfte in China werden bei der Feier nur durch 40 Mitglieder der exilchinesischen Dissidentengemeinde vertreten sein.

Zuletzt hatten vor 74 Jahren weder der in einem Konzentrationslager internierte deutsche Publizist Carl von Ossietzky noch seine Familie den Preis entgegennehmen können, weil ihnen die Nazis die Reise nach Oslo nicht erlaubten. Seit der Verkündung des Friedensnobelpreises vor zwei Monaten waren in China dutzende Aktivisten und Kritiker unter Hausarrest gestellt, in Haft genommen oder eingeschüchtert worden. Prominentes Opfer der Verfolgung wurde am Donnerstag Zhang Zuhua, der neben Liu Xiaobo an der Veröffentlichung der "Charta 08" vor zwei Jahren beteiligt war.

Bürgerrechtler verschleppt

Der Bürgerrechtler sei am Donnerstag in Peking auf der Straße von Staatssicherheitsbeamten in einen Kleinbus gezerrt und verschleppt worden, berichtete die Menschenrechtsgruppe CHRD. Ähnlich seien in der Hauptstadt der Akademiker Cui Weiping und der Journalist Gao Yu sowie in Xi'an der Aktivist Yang Hai und der Bürgerrechtsanwalt Zhang Jiankang in die Gewalt der Sicherheitsbehörden genommen worden. Die Polizei umstellte auch Lius Haus in Peking und kontrollierte die Ausweise von allen, die die Wohnanlage betreten wollten.

Die chinesischen Behörden begannen am Freitagvormittag auch damit, ausländische Fernsehsender zu verdunkeln, die die Nobelpreisverleihung übertragen wollten. Auch der Zugang zu den Internetseiten internationaler Medien wurde wenige Stunden vor Beginn der Zeremonie in Oslo blockiert. Betroffen waren unter anderem der US-Nachrichtensender CNN, die britische BBC und der französische TV-Sender TV5. "Die Seite cnn.com ist vollkommen blockiert. Jeder Bericht über den Nobelpreisträger wird am Bildschirm verdunkelt", berichtete der Chef des Pekinger CNN-Büros, Jaime FlorCruz.

"Auszeichnung für Kriminellen"

Chinas Regierung hat die Auszeichnung für den "Kriminellen" Liu Xiaobo als "Einmischung in innere Angelegenheiten" verurteilt. Wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty berichtete, organisieren chinesische Diplomaten in Oslo Demonstrationen gegen den Nobelpreis. In Norwegen wohnende Chinesen seien unter Androhung von "ernsten Konsequenzen" aufgefordert worden, sich an den Protesten zu beteiligen. "Wir sind geschockt, dass chinesische Behörden diese repressive Atmosphäre von Peking nach Oslo bringen", sagte der norwegische Amnesty-Direktor John Peter Egnaes. Am Donnerstagabend war es in Oslo zu antichinesischen Protesten gekommen. Etwa 100 Demonstranten zogen in Richtung der chinesischen Botschaft und forderten die Freilassung des Regierungskritikers. Die Polizei drängte die Demonstranten, die eine Petition mit 100.000 Unterschriften für Liu überreichen wollten, vor dem Botschaftsgelände ab.

(Schluss) vos

(APA)

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