Atomstreit

Nordkoreas Raketen-Stakkato forciert Wettrüsten in Ostasien

IMAGO/Sipa USA
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Die Muskelspiele Pjöngjangs sorgen für Alarm in Seoul und Tokio: Dort wird offen über eigene Atomwaffenprogramme nachgedacht.

Nordkorea erhöht die Frequenz bei seinen Raketentests: Nach Angaben des südkoreanischen Militärs handelte es sich am Montag um zwei Geschosse kurzer Reichweite. Die japanische Küstenwache registrierte gar drei Einschläge innerhalb weniger Minuten. Das Regime hatte bereits am Samstag eine ballistische Rakete abgefeuert, die im Zielgebiet westlich von Hokkaido ins Meer schlug, aber auch einen Flugplatz in Japan hätte vernichte können.


Nordkoreas Propaganda bejubelte die „erfolgreiche Überraschungsübung“ als „Beweis für die Fähigkeit zu einem tödlichen nuklearen Vergeltungsschlag“. Japans Premier Fumio Kishida will deshalb eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragen. Tests mit solchen ballistischen Langstreckenraketen sind Nordkorea durch die UNO-Beschlüsse zwar verboten, weil sie als wichtige Träger für Atomwaffen gelten. Aber das muss Diktator Kim Jong-un kaum beunruhigen, solang die UN-Vetomächte China und Russland eine Verurteilung ihres Verbündeten blockieren.

Attrappen oder Megaraketen?

Der Test vom Samstagnachmittag zeigt eine neue Qualität. Angeblich wurde die Hwasong-15 von einer mobilen Rampe abgefeuert, die auf dem Flugplatz Pjöngjang positioniert war. Der direkte Befehl von Diktator Kim soll erst am Morgen erteilt worden sein. Das kurze Zeitfenster deutet darauf hin, dass dieses Geschoss mit festem Treibstoff angetrieben wurde. Solche Raketen sind viel flexibler einsatzbereit, da sie nicht zuvor mit Flüssigtreibstoff betankt werden müssen, was Satelliten entdecken würden. Und es droht eine weitere Eskalation: Die mächtige Diktatorenschwester, Kim Yo-jong, sagte, dass der Pazifik immer häufiger als „Schießplatz“ genutzt werde.


Erst am vergangenen Mittwoch hatte der Diktator bei seiner nächtlichen Protzparade auf dem nach seinem Großvater Kim Il-sung benannten Platz in Pjöngjang noch mächtigere Geschosse präsentiert. Experten zählten zehn bis zwölf Hwasong-17-ICBM, mehr als je zuvor öffentlich vorgeführt wurden. Zwar ist im grellen Scheinwerferlicht auch für Spezialisten nur schwer erkennbar, ob diese größten Raketen im nordkoreanischen Arsenal allesamt flugfähig oder nur Attrappen sind, aber mit ihrer gigantischen Reichweite würden sie nicht nur eine Bedrohung der Nachbarn Südkorea, Japan und Hawaii darstellen, sondern könnten auch US-Festland treffen.

Zurückhaltung wegen China?


Was in der Empörung über die provokativen Raketenstarts untergeht, ist, dass Nordkorea seine Militärtechnik auf Zuverlässigkeit und Mängel testet. Seit 2022 testete Pjöngjang mindestens 73 ballistische Raketen, 42 davon allein in den letzten vier Monaten. Allerdings ist bemerkenswert, dass trotz monatelanger Spekulationen das Regime nicht gewagt hat, seine atomaren Fähigkeiten durch weitere Versuche unter Beweis zu stellen – obwohl die Vorbereitungen für einen weiteren Nukleartest wohl längst abgeschlossen sind.


Es ist anzunehmen, dass der Befehl zur Zurückhaltung aus China kommt. Peking befürchtet, dass Pjöngjang mit der Wiederaufnahme von Atomtests die Büchse der Pandora öffnet. Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol denkt öffentlich darüber nach, sich die Option eines Atomwaffenprogrammes offenzuhalten, sollte die nukleare Bedrohung aus dem Norden weiter eskalieren. Würde Seoul nach Atomwaffen streben, könnte Tokio folgen: Ein nukleares Wettrüsten in Ostasien droht dann.

Mehr als 50 Atommeiler

Wegen der ablehnenden Haltung in der japanischen Bevölkerung äußerte sich Kishida dazu noch nicht. Aber seine Militärs verweisen immer öfter darauf, dass Japan dazu technologisch fähig wäre – und zwar schnell. Japan verfügt über mehr als 50 Atommeiler und gehört zu den wenigen Staaten mit hoch entwickelter Weltraumforschung. Bisher verlässt sich Tokio auf den nuklearen Schutzschild des Verbündeten USA, aber es gibt genug politische Kräfte, die auf Selbstständigkeit drängen.

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