Seestadt Aspern

Bürobau: Arbeiten mit massiver Architektur

Bürokultur in 3,30 Metern hohen Räumen mit „automatischem“ Klima soll im Robin realisiert werden.
Bürokultur in 3,30 Metern hohen Räumen mit „automatischem“ Klima soll im Robin realisiert werden. Patricia Bagienski/Grandits
  • Drucken

Das Robin in der Wiener Seestadt setzt auf Nachhaltigkeit durch dicke Wände und smarte Fenster für ein konstantes Raumklima von 22 bis 26 Grad – ohne Heizung und Kühlung.

Wie bringt man die wachsenden Bedürfnisse nach Nachhaltigkeit, Kostenreduktion und einer Arbeitsumgebung, in der sich Mitarbeiter so wohl fühlen, dass man im Kampf um die besten Köpfe mithalten kann, unter einen Hut? Baumschlager Eberle-Architekten bzw. deren Tochterfirma 2226 AG und die Soravia sind auf der Suche nach Antworten in der Vergangenheit und der Natur fündig geworden. Und haben ein Konzept entwickelt, das Wissen aus der Tierwelt und der alten Kirchenbaumeister in die Gegenwart transferiert – wo sie es dann mit moderner Technik kombinieren.

Hält im Sommer die Hitze und im Winter die Kälte draußen

Herausgekommen ist dabei Robin, ein Bürogebäudekomplex in der Seestadt Aspern, dessen Namen auf Robin Hood zurückgeht, wie Projektleiter Gerhard Rieger erläutert: „Weil wir dabei genau wie Robin Hood auf bewährte Werte und revolutionäre Ideen setzen.“ Zu den bewährten Werten gehört dabei unter anderem eine 80 Zentimeter dicke Außenhülle aus Ziegeln, die im Sommer die Hitze und im Winter die Kälte draußen hält.

Das allein würde natürlich noch nicht ausreichen, um ganz ohne Heizung und Kühlung auszukommen – in Kombination mit einem Lüftungssystem, das sich die Entwickler bei den Termitenhügeln abgeschaut haben, allerdings schon. „Es gibt in jedem Raum drei Sensoren, welche die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und den CO2-Gehalt der Luft messen“, erklärt Rieger. Und bei gewissen Werten automatisch die Fenster öffnen und wieder schließen, sobald die erwünschten Werte erreicht sind.

Der Temperaturrahmen liegt ganzjährig bei 22 bis 26 Grad

DAS 2226-KONZEPT

Allerdings eignet sich dieses Konzept nicht für Unternehmen, die im Sommer jederzeit 19 Grad Celsius in ihren Räumen abrufen wollen. Denn der Temperaturrahmen, den die Architekten und Entwickler garantieren, liegt ganzjährig bei 22 bis 26 Grad. Was auch für das Konzept von Architekt Dietmar Eberle namensgebend war: „Das Konzept 2226 setzt dem herrschenden Diktum, Energieeffizienz sei nur mit hochkomplexer Haustechnik möglich, etwas entgegen, das fast in Vergessenheit geraten ist: die elementaren Mittel der Baukunst“, lautet sein Zugang. Es seien ausschließlich Mittel der Architektur, die das Versprechen einlösen: massive Wände und Decken, die als Dämm- und Speichermasse dienen, ergänzt durch ein Zusammenspiel von Fassaden- und Fensterfläche, von Proportionen, Materialien und Licht in Kombination mit intelligenter Gebäudesteuerung.Bis Mitte 2024 soll der Bürokomplex Robin in der Seestadt Aspern fertiggestellt werden, der ganz ohne Kosten für Kühlung und Heizung auskommen soll. Dafür greift das Projekt der Soravia und der Baumschlager Eberle-Architekten auf die Kombination bionischer und traditioneller Bauweisen sowie moderne Technologielösungen zurück. In Zukunft soll dieses Konzept auch an anderen Standorten in Österreich und im deutschsprachigen Raum realisiert werden.

Mehr Infos unter: https://www.baumschlager-eberle.com/ und www.robin.eco/seestadt/

Selbst im kühlen Ländle ist der Winter weniger herausfordernd als der Sommer

Dass das Konzept auch in der Realität funktioniert und nicht am Ende die Mitarbeiter kalte Füße bekommen, hat der Vorarlberger Architekt bereits bei einem früheren 2226-Projekt in Lustenau bewiesen. Und dabei gelernt, dass selbst im kühlen Ländle der Winter weniger herausfordernd ist als der Sommer. Jener Sommer, der den Wienern bekanntlich immer mehr Tropennächte beschert, in denen die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad sinkt. Diese können das 2226-Konzept an seine Grenzen bringen, selbst dann, wenn alle architektonischen Mittel zur Kühlung richtig genutzt werden. „Dazu gehören die Speichermasse der Wand, aber auch der Decken und Fußböden“, sagt Rieger. „Weshalb zum Beispiel eine vollflächige Verlegung von Teppichen nicht möglich ist, um eine Isolierung zwischen dem Boden und der Luft zu vermeiden.“

Die bei konventionellen Bürogebäuden in den Böden liegenden Anschlüsse verlaufen bei Robin in einer Holzinstallation entlang der Außenwand, was als Nebeneffekt die Raumaufteilung extra flexibel macht. Ein weiterer sind die Raumhöhen von 3,30 Metern, die durch das Fehlen von Deckenabhängungen entstehen.

Es gibt einen Plan B: auf dem Dach

Sollten all diese Maßnahmen trotzdem an ihre Grenzen stoßen, gibt es noch einen Plan B, und zwar auf dem Dach: Eine per Fotovoltaikanlage betriebene Wärmepumpe, welche die Komfortzone unterhalb der 26 Grad wieder herstellt – und dabei trotzdem das Versprechen einhält, ganz ohne laufende Kosten für Heizen und Kühlen auszukommen.

Für den Betrieb der Büroinfrastruktur und das Licht gilt das allerdings nicht, diese Kosten fallen auch hier extra an. Die Lebenszykluskosten sind im 2226-Konzept – das die Soravia in Zukunft auch an anderen Standorten realisieren will – jedoch geringer. Denn wo erst gar keine Lüftungsanlage eingebaut wird, muss auch später keine gewartet oder gar ausgetauscht werden. 

>> Mehr „Presse"-Artikel zur Seestadt Aspern:

Hausgeschichte: „Die 'Lieselotte' in der Seestadt"

„Seestadt wächst um „aspern waterfront"

Grätzeltour: „Vom Acker zum Stadt-Labor"

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Blick ins neu gestaltete Obergeschoß: Hohe Räume und viel Glas treffen auf modern-dezentes Interieur.
Hausgeschichte

Im Büro mit dem Kaiser

Seit 1903 prangt das Haus der Kaufmannschaft am Schwarzenbergplatz 14 in Wien Wieden. Nach Leerstand adaptierten es die Architekten Michael Heim und Klaus Landerl für Leitner Leitner.
Der Bramlhof birgt zwei Privat- und drei Ferienwohnungen unter einem Dach. Und 16 Generationen Familiengeschichte.
Hausgeschichte

Bauernhaus mit Back-Labor

Wie sich der seit 16 Generationen in der Familie befindliche Bramlhof in Hintergöriach mit Christina und Johannes Bauer zum Bio- und Backbauernhof wandelte.
Das Stadthaus entstand an der Stelle einer alten Lagerhalle in 1070 Wien.
Hausgeschichte

Neubaugasse: Drei Türme im Hinterhof

16 Raumhöhen, viele Gärten, offenes Raumkonzept: Wie auf einem schmalen Grundstück im siebten Wiener Bezirk ein „übereinander geschachteltes Puppenhaus“ entstand.
In einem Jahr Bauzeit entstanden, ist „Janna“ am 9./10. September im Rahmen von Open House Vienna zu besichtigen..
Hausgeschichte

Die Wohnskulptur auf dem Satzberg

Unten Sichtbeton, mittig Glas, oben Holz: Das Einfamilienhaus Janna in Wien 14 spielt mit drei Materialien - und das auf einem dreieckigen Grund. Dabei sahen die Pläne zunächst ganz anders aus.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.