UNO-Sicherheitsrat

Hoffnung auf Waffenruhe im Sudan

Ankunft in Spanien nach der Evakuierung
Ankunft in Spanien nach der Evakuierung (c) VIA REUTERS (SPANISH FOREIGN MINISTRY)
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Westliche Staaten lassen ihre Bürger ausfliegen, Zehntausende Sudanesen flüchten in Nachbarländer.

Im von schweren Kämpfen erschütterten Sudan ist in der Nacht auf Dienstag eine Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten. Berichte über größere Gefechte gab es am Dienstag früh zunächst nicht, allerdings herrschte Skepsis, ob die Feuerpause wirklich hält. Unterdessen gehen die Evakuierungen ausländischer Staatsbürger aus dem Sudan weiter. Auch weitere Österreicher konnten aus dem Land gebracht werden.

Im Sudan sind vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen dem Militär und Paramilitär ausgebrochen. De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, will mithilfe des Militärs seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo entmachten, den Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die zwei Männer hatten die Führung des Landes am Horn von Afrika mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen. Nach UNO-Angaben wurden seit Beginn des Konflikts mehr als 400 Menschen getötet und rund 4.000 verletzt.

Waffenruhe vereinbart

US-Außenminister Antony Blinken hatte am Montag darüber informiert, dass sich die Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden RSF darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten. Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung von Diplomaten zu unterstützen.

Bereits zuvor hatte es ähnliche Ankündigungen der Konfliktparteien gegeben, die jedoch nicht eingehalten wurden. So brachen sie mehrfach eine selbst vereinbarte Feuerpause für die Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, die bis Montagabend gelten sollte. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete auch am Dienstag früh von vereinzelten Schusswechseln. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Dienstag früh unter Berufung auf Augenzeugen ebenfalls von Schüssen in der Millionenstadt Omdurman, nachdem es über Nacht relativ ruhig gewesen sei. Omdurman grenzt an die Hauptstadt Khartum.

Auch Österreicher außer Landes gebracht

Bis Dienstag früh wurden insgesamt 34 Österreicherinnen und Österreicher im Rahmen von Evakuierungsmissionen auf dem Luftweg sicher außer Landes gebracht, wie das Außenministerium mitteilte. 27 Personen - darunter rund ein Dutzend Kinder - davon waren bereits in der Nacht auf Montag an Bord von drei Flugzeugen der Deutschen Bundeswehr nach Jordanien ausgeflogen worden. Die Bemühungen, auch die verbliebenen Österreicher bei einer sicheren Ausreise zu unterstützen, liefen am Dienstag weiter. Auf geplanten Evakuierungsflügen europäischer Partner seien auch Kapazitäten für ausreisewillige österreichische Staatsbürger zugesagt und vorhanden, heiße es.

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Die westlichen Staaten haben etliche ihrer Bürger evakuiert, doch viele Expats aus anderen afrikanischen Ländern warten vergeblich auf Hilfe, darunter allein 4000 Studenten aus Nigeria.

Die deutsche Bundeswehr flog am Dienstag rund 100 weitere Menschen aus dem Krisenstaat aus. Sie seien in einem nunmehr fünften Militärtransporter gewesen, der in Jordanien landete, sagte ein Sprecher. Die Gesamtzahl der Evakuierten liegt damit bei knapp 500 Menschen. Der deutsche Bundestag soll ein Mandat für die bewaffnete Evakuierung beschließen, das der Bundeswehr formal noch bis Ende Mai eine Rechtsgrundlage für den Einsatz gibt. Der "Spiegel" berichtete am Dienstag, darin sei eine Obergrenze für den Einsatz von 1.600 Soldaten vorgesehen, die zeitlich befristet auch überschritten werden könne.

Inzwischen übernahm Deutschland von Frankreich die Abstimmung von Evakuierungsflügen aus dem Krisenstaat. Die Bundeswehr sei nun zuständig für die Koordination der Flugbewegungen zum Aufnahmeflugplatz, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Nacht auf Dienstag der dpa. Dabei geht es darum, Flugzeiten und den praktischen Betrieb auf dem Militärflugplatz bei Khartum zu regeln, der von westlichen Staaten genutzt wird. Praktisch bedeutet dies, dass Fachleute der Luftwaffe die Zuteilung der Flugzeiten übernehmen und so den sicheren An- und Abflug auch von Maschinen anderer Staaten vorbereiten.

„Einsatz unter extrem schwierigen Bedingungen"

Mehrere westliche Staaten hatten am Wochenende damit begonnen, eigene Staatsbürger und Angehörige anderer Nationen auszufliegen. Frankreich flog 538 Menschen aus. Darunter befanden sich 209 Franzosen sowie Menschen aus etlichen anderen Ländern, sagte Präsident Emmanuel Macron am Dienstag nach Abschluss der französischen Evakuierungsaktion in Paris. Unter den Ausgeflogenen hätten sich auch viele Menschen aus anderen afrikanischen Ländern befunden. Macron sprach von einem "außergewöhnlichen Einsatz unter extrem schwierigen Bedingungen". Ein bei der Operation verletzter französischer Soldat befinde sich inzwischen auf dem Weg der Besserung.

Großbritannien startete nach Angaben von Premierminister Rishi Sunak am Dienstag mit Evakuierungen. Sie fliegen nur britische Staatsbürger sowie deren direkte Angehörige aus, die bereits eine Einreisegenehmigung für Großbritannien haben, wie es auf der Webseite des Außenministeriums in London hieß. Wie lange die Rettungsflüge aus dem Land fortgesetzt werden können, hängt wesentlich von der Sicherheitslage ab.

Die Ukraine brachte 138 Menschen aus Khartum ins benachbarte Ägypten. Davon seien 87 ukrainische Staatsbürger gewesen, teilte der Militärgeheimdienst in Kiew am Dienstag mit. Es habe sich hauptsächlich um Piloten, Techniker und deren Familien gehandelt. Ebenso seien Georgier und Peruaner mit Bussen in das Nachbarland gelangt. Die Ukrainer seien medizinisch versorgt und mit erforderlichen Dokumenten ausgestattet worden und könnten alsbald die Heimreise antreten.

Hält die Feuerpause?

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte dem Fernsehsender CNN, man habe seit Beginn der Kämpfe im Sudan in engem Kontakt mit den Anführern beider Lager gestanden, um sie zu einem stabilen Waffenstillstand zu bewegen. Nun gelte es die Einhaltung der neuerlichen Feuerpause so gut wie möglich zu überwachen. Blinken betonte, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern sowie sudanesischen Akteuren abstimmen. Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Gefechte und die Umsetzung der Ergebnisse überwachen solle.

Am Montagabend brachte sich Israel als Vermittler in dem Konflikt ins Spiel. Das israelische Außenministerium bot laut einem Sprecher an, in Israel Verhandlungen auszurichten, um die Gewalt zu beenden. Es gebe Kontakt zu hochrangigen Vertretern beider Seiten im Sudan.

Sicherheitsrat tagt

Der UNO-Sonderbeauftragte im Sudan, Volker Perthes, will weiterhin im Land bleiben und dort arbeiten: "Wir sind entschlossen, im Sudan zu bleiben und das sudanesische Volk in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen", sagte er. Die Lage für die Sudanesen bleibt brenzlig: Laut dem UNO-Nothilfebüro sind bereits Zehntausende in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und in den Südsudan geflohen. Der UNO-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung erneut über die Lage beraten - Diplomatenkreisen zufolge in öffentlicher Runde am Dienstagabend gegen 21.00 Uhr (MESZ).

(APA/dpa/AFP)

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