512 Tote

Feuerpause im Sudan hält nicht: Auch Evakuierungsflug beschossen

Ein beschädigtes Gebäude in Khartum.
Ein beschädigtes Gebäude in Khartum. REUTERS
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Augenzeugen berichten von Luftangriffen und Flakbeschuss auf die sudanesische Hauptstadt Khartum. Ein türkisches Evakuierungsflugzeug wurde mit leichten Waffen beschossen.

Die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien im Sudan sind trotz einer vereinbarten Feuerpause nach kurzer Zeit wieder aufgeflammt. Augenzeugen berichteten am Donnerstag, in der sudanesischen Hauptstadt Khartum und in den nahe gelegenen Städten Omdurman und Bahri seien Luftangriffe und Flakbeschuss zu hören. Am Freitag wurde auch ein türkisches Transportflugzeug des Typs C-130 bei einem Evakuierungsflug mit leichten Waffen beschossen.

Wie das türkische Verteidigungsministerium auf Twitter mitteilte, war die Maschine auf dem Weg zum Militärflughafen Wadi Seyidna im Norden der Hauptstadt Khartum, um türkische Staatsbürger zu evakuieren. Das Flugzeug sei trotz des Beschusses sicher gelandet. Es gebe keine Verletzten, das Flugzeug werde auf Schäden hin überprüft. Zuvor hatten die sudanesischen Streitkräfte den rivalisierenden Paramilitärs der Rapid Support Forces (RSF) vorgeworfen, das Flugzeug beim Landeanflug beschossen zu haben. Die RSF wiesen den Vorwurf als Lüge zurück. Wer für den Beschuss verantwortlich ist, ließ sich zunächst nicht unabhängig prüfen.

113 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Sicherheit gebracht

Im weiterhin umkämpften Sudan wurden indes mindestens 113 Mitarbeiter verschiedener Hilfsorganisationen aus dem Bundesstaat Nord-Darfur ausgeflogen. Die Mitarbeiter seien bereits am Donnerstag per Flugzeug in den benachbarten Tschad gebracht worden, sagte der Gouverneur von Nord-Darfur, Nimir Mohamed Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Evakuiert wurden unter anderem Mitarbeiter des Welternährungsprogramms, von Unicef , der UNO-Mission im Sudan (Unitams) sowie der Norwegischen Flüchtlingshilfe. Nach Angaben von Unitams hatte Frankreich die Evakuierung organisiert.

Das UNO-Menschenrechtsbüro äußerte indes zusätzliche Gewalt im Land, weil mögliche Kriegsverbrecher aus Gefängnissen freigekommen seien könnten. In den vergangenen Tagen seien Gefangene aus mehreren Gefängnisse ausgebrochen oder freigelassen worden, sagte eine Sprecherin am Freitag in Genf. Das könne ethnische Spannungen, die es seit langem im Sudan gibt, neu entfachen. In Westdarfur hätten die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Kräften, der sudanesischen Armee (SAF) und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), bereits zu Zusammenstößen unter Bevölkerungsgruppen geführt. Dabei seien dort seit dem 24. April mindestens 96 Menschen ums Leben gekommen.

Waffenruhe sollte eigentlich bis zum Wochenende halten

Die Armee und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) hatten erst am Donnerstag eine Verlängerung der Feuerpause um 72 Stunden ab Mitternacht angekündigt. Die Waffenruhe war von den USA und Saudiarabien vermittelt worden. Tausende Zivilisten konnten fliehen, viele davon ins nördliche Nachbarland Ägypten. Mehrere Staaten evakuierten ihre Staatsangehörigen und weitere Menschen per Flugzeug aus dem Krisenland. US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die Ankündigung der Konfliktparteien, forderte diese aber zugleich auf, "ungehinderten humanitären Zugang zu gewährleisten".

Den Rufen nach einer sofortigen Einstellung der Kämpfe im Sudan wollen indes auch die mitregierenden Grünen in Wien Nachdruck verleihen. Ein entsprechender Entschließungsantrag sei bei der Plenarsitzung am Donnerstag dem außenpolitischen Ausschuss zugewiesen worden, teilte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, am Freitag mit. In dem Antrag wird Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) aufgefordert, sich im Verbund mit den EU-Partnern und den Vereinten Nationen für eine sofortige Einstellung der Kämpfe im Sudan, für den Schutz der Zivilbevölkerung und für einen politischen Prozess zur Etablierung demokratischer Strukturen im Sudan einzusetzen.

Hunderte Tote, Tausende Verletze, eine humanitäre Katastrophe

Die Kämpfe im Sudan waren am 15. April im Zuge eines Machtkampfes zwischen der Armee und der RSF-Miliz ausgebrochen. Seitdem wurden mindestens 512 Menschen getötet, fast 4200 verwundet und Krankenhäuser zerstört. Die Verteilung von Lebensmitteln ist eingeschränkt. Ein Drittel der 46 Millionen Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

(APA/Reuters/dpa)

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