Schengen-Erweiterung: Grenzöffnung mit "Bauchweh"

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Obwohl es zuletzt noch Widerstand aus Deutschland und Frankreich gegeben hat, werden Rumänien und Bulgarien voraussichtlich noch dieses Jahr ihre Grenzen öffnen können. Auch das Europaparlament gibt grünes Licht.

Wien. „Unproblematisch ist die Entscheidung nicht“, sagt Europaabgeordneter Hubert Pirker (ÖVP). Er habe nur mit Bauchweh im Innenausschuss des Europaparlaments diese Woche grünes Licht für eine Öffnung der Grenzen zu Rumänien und Bulgarien gegeben. Pirker begründet sein Ja mit der Vorlage eines bisher geheim gehaltenen Berichts einer unabhängigen Kommission, die den beiden Ländern nach eingehenden Prüfungen ein gutes Zeugnis bei der Beurteilung ihrer Schengen-Reife ausgestellt habe. „Beide Länder erfüllen demnach alle technischen Voraussetzungen“, so Pirker. „Allerdings ist natürlich fraglich, ob die technischen Voraussetzungen dann auch in der Praxis ausreichend umgesetzt werden.“

Obwohl es zuletzt noch Widerstand aus Deutschland und Frankreich gegen eine Erweiterung des Schengen-Raums gab, zeichnet sich nun doch eine Grenzöffnung in diesem Jahr ab. Da die ungarische Präsidentschaft das Thema gerne abschließen möchte, könnte die Weichenstellung bereits im Juni beim Treffen der EU-Innenminister erfolgen. Das Plenum des Europaparlaments dürfte ebenfalls im Juni eine positive Stellungnahme abgeben.

Berlin und Paris hatten noch im April vor einer raschen Schengen-Erweiterung gewarnt. Sie kritisierten Bulgarien und Rumänien für deren mangelnden Kampf gegen die Korruption und gegen das organisierte Verbrechen. In beiden Länder gibt es nach wie vor Banden, die Menschenhandel betreiben. Mit ihren heiklen Grenzen zur Ukraine, zu Moldawien und der Türkei müssen Rumänien und Bulgarien künftig die restlichen Schengen-Mitglieder vor illegalen Zuwanderern und Schmugglern schützen. Bisher wurde ihnen das nicht zugetraut.

Der ins Europaparlament erst kürzlich zurückgekehrte ÖVP-Abgeordnete Pirker weist allerdings darauf hin, dass alle bisherigen Schengen-Länder an den gleichen Kriterien gemessen wurden. Und das seien jene zum professionellen Schutz der Außengrenzen. „Da beide Länder diese Kriterien erfüllt haben, konnten wir nicht anders, als für ihrer Teilnahme zu stimmen.“

Da es kaum noch rechtliche Möglichkeiten gibt, die Schengen-Teilnahme länger hinauszuzögern, es aber nach wie vor Vorbehalte in einigen EU-Mitgliedstaaten gibt, wird bereits nach Auswegen gesucht. Die französische Innenministerin Claude Gueant hat beispielsweise den bulgarischen Behörden vorgeschlagen, dass Polizisten aus EU-Ländern zur Absicherung der Grenzen Bulgariens beitragen könnten. Dies würde dem Land im Gegenzug den raschen Schengen-Beitritt ermöglichen. Die bulgarische Regierung wäre laut Medienberichten dazu bereit.

Eine neue Verzögerung könnte sich allerdings durch die Reform des Schengen-Abkommens ergeben. Frankreich und Italien haben zuletzt gefordert, dass das Schengen-Abkommen vorübergehend ausgesetzt werden soll, wenn einzelne Länder ihre Außengrenzen nicht ausreichend kontrollieren. Die EU-Kommission wird dazu am heutigen Mittwoch Vorschläge vorlegen. Der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow erwartet, dass diese Reform die Schengen-Teilnahme seines Landes neuerlich verschieben wird. Eigentlich hätten beide Länder bereits ab März dieses Jahres ihre Grenzen zu den EU-Nachbarstaaten öffnen sollen.

Europol warnt vor Migration von Terroristen

Die europäische Polizeibehörde Europol warnt indessen vor neuen Gefahren durch den Strom illegaler Zuwanderer aus Nordafrika. In einem Bericht, der dem Europaparlament vorgelegt wurde, heißt es: „Die instabile Lage in Nordafrika bereitet Sorge, weil sie Terrorgruppen neue Möglichkeiten bietet, Material und Mitglieder nach Europa zu schleusen.“ Unter der großen Zahl an Flüchtlingen aus Tunesien und Libyen könnten sich Kriminelle problemlos verstecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2011)

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