Staaten, die ihre Außengrenzen schlecht bewachen, sollen zeitweise aus dem Schengen-Raum fliegen. Im Jahr 2009 wurden EU-weit rund 570.000 Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltstitel aufgegriffen.
Brüssel. 26 Jahre nach dem Anfang vom Ende der Grenzkontrollen in Europa schicken sich Regierungen und Europäische Kommission an, die Überprüfung der Reisenden wieder einzuführen. Am Mittwoch stellte Cecilia Malmström, Kommissarin für Inneres, diesen Vorschlag vor. Wenn ein EU-Staat seine Grenzen zum Rest der Welt nicht gut bewacht, soll er so lange aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden, bis er belegen kann, irreguläre Einwanderer von der EU fernzuhalten.
„Ein solcher Mechanismus sollte nur als letztes Mittel in wirklich kritischen Situationen eingesetzt werden“, heißt es in Malmströms Papier. „Schengen kann, wie alle europäischen Politiken, seine Schwächen haben“, sagte die Kommissarin bei der Vorstellung ihrer Ideen. Nächsten Donnerstag werden die Innenminister in Brüssel über dieses Problem beraten.
„Eine Vertrauensgemeinschaft“
Es ist zu erwarten, dass erneut die Innenminister der nördlicheren EU-Ländern ihren Amtskollegen aus dem Süden der Union die Leviten lesen werden. „Schengen ist nicht nur eine Rechtsgemeinschaft, sondern auch eine Vertrauensgemeinschaft“, knurrte ein Diplomat eines Mitgliedslandes, das keine EU-Außengrenzen hat, nach Malmströms Ankündigung gegenüber der „Presse“. Er spielte damit auf die Pflicht aller Schengen-Länder an, im Geiste der Solidarität die Außengrenzen zu sichern. Dass Länder wie Italien, Malta und Griechenland dabei versagen, zeigt die Statistik der Kommission. Im Jahr 2009 wurden EU-weit rund 570.000 Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltstitel aufgegriffen. Nur rund 250.000 wurden abgeschoben. So gut wie alle kamen über die Land- und Seegrenzen im Süden und Südosten Europas.
Derzeit beherrscht zwar der franko-italienische Streit um 25.000 tunesische Flüchtlinge die Nachrichten. Das eigentliche Problem für den Schengen-Raum sei aber die Unfähigkeit Griechenlands, einen funktionierenden Grenzschutz zu organisieren.
Neue Innenministerin skeptisch
Die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach sich am Mittwoch gegenüber der Austria Presseagentur zwar für „anlassbezogen verstärkte Grenzkontrollen“ aus, wie es sie bereits aus Sicherheitsgründen bei Großveranstaltungen gibt. „Das generelle Hochziehen von Grenzen in Binnenländern“ sei aber „eine massive Einschränkung der Reisefreiheit, die wir ja alle schätzen, lieben und wirklich genießen. Das wäre ein ganz großer Rückschritt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2011)