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Prozess: Angeklagter „gefährlich“

(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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In der Verhandlung um den Jusstudenten, der laut Anklage seine Freundin zerstückelt hat, plädierte der Ankläger auf „schuldig“.

Wien. Der Ansturm auf die Sitzplätze des Saals 203 des Straflandesgerichts Wien war so groß, dass Dienstagnachmittag zwei zusätzlich zur Justizwache eingesetzte Kripobeamte gleichsam Ordnerdienste zu leisten hatten. Gruppenweise wurden die Prozesskiebitze, darunter Dutzende Jusstudenten, eingelassen, bis schließlich der letzte Sitzplatz okkupiert war – und das Finale im Prozess um die Ermordung der 21-jährigen Wienerin Stefanie P. starten konnte.

Ehe sich die Geschworenen Dienstagabend zur Beratung zurückzogen, war für den Nachmittag noch die Erörterung des psychiatrischen Gutachtens anberaumt. Die Urteilsverkündung wurde für die späten Abendstunden erwartet. Dem früheren Freund des Opfers, dem Jusstudenten Philipp K. (23), drohte zuletzt – im Falle eines Schuldspruchs – eine lebenslange Haftstrafe.
Der vom Gericht (Senatsvorsitz: Sonja Weis) beauftragte Psychiater Karl Dantendorfer kam nach weit ausholendem Vortrag zu jenem Ergebnis, das auch in seiner schriftlichen Expertise festgehalten ist. Demnach liegen bei K. deutliche Anzeichen einer Persönlichkeitsstörung vor.

Wie berichtet, ist Staatsanwalt Hannes Wandl davon überzeugt, dass der Angeklagte das Opfer in der Nacht auf den 2. Juli 2010 zunächst durch Messerstiche in den Hals getötet hat. Danach wurde die Leiche grausam verstümmelt und zerstückelt. Am Morgen nach der Tat verpackte der nunmehrige Beschuldigte die Leichenteile in Müllsäcke und warf diese in Mülltonnen seiner Wohnhausanlage in Wien Hietzing. K. gibt zwar zu, dass er die Leichenteile beseitigt habe, sein ursprüngliches Geständnis, wonach er nach einem missglückten Sadomaso-Sexspiel den Mord begangen habe, hat K. aber wie berichtet zurückgezogen.

Aus dem Gutachten von Psychiater Dantendorfer: „Unter der Voraussetzung, dass das hohe Gericht zu dem Schluss kommt, dass Philipp K. die ihm zur Last gelegte Tat tatsächlich begangen hat, ist aus psychiatrischer Sicht davon auszugehen, dass er die Tat unter wesentlichem Einfluss der [. . .] angesprochenen Persönlichkeitsstörung begangen habe. Die Persönlichkeitsstörung ist gemäß der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen der World Health Organisation als ,Kombinierte Persönlichkeitsstörung‘ mit dissozialen, narzisstischen und histrionischen Anteilen (Anteile, die durch theatralisches Verhalten gekennzeichnet sind, Anm.) einzuordnen.“ Eine „seelische oder geistige Abnormität höheren Ausmaßes“ im Sinne des Strafgesetzbuches liege vor. Es sei somit von einer „ungünstigen Gefährlichkeitsprognose für den Beschuldigten auszugehen“. Dies weise auf eine „allgemein erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Verüben von sexuellen Straftaten“ hin.

Beschuldigter belastet Bekannten


K. selbst gab zuletzt an, ein Bekannter von ihm, mit dem er nach der Tat gesprochen habe (der Mann hatte K.in dessen Wohnung aufgesucht und Blutspuren gesehen), müsse zumindest mit der Tat zu tun haben. Mehr noch: Dieser Bekannte könne auch der Täter gewesen sein. Für Polizei und Staatsanwalt kommt dies aber nicht in Betracht. Der Zeuge selbst will gleichfalls nichts mit der Tat zu tun haben.

Staatsanwalt Wandl im Plädoyer zu den Geschworenen: „Denken Sie an Stefanie P., wie sie nackt und gefesselt am Bett liegt und dem Mörder hilflos ausgeliefert ist, Stiche ins Gesicht und in den Oberkörper bekommt und nach einem Stich in den Hals langsam verblutet.“ Fazit: Die Anklage forderte sowohl eine tat- und schuldangemessene Bestrafung als auch eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Verteidiger Ernst Schillhammer versuchte bis zuletzt wegen „noch offener Fragen“ die Geschworenen von einem Schuldspruch abzubringen. Die Version der Anklage sei nur „eine Hypothese, die man sich zusammen reimen kann“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2011)