Der frühere IWF-Chef plädierte vor einem New Yorker Gericht auf unschuldig. Aktivistinnen empfingen ihn mit Protesten. Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs wird nicht vor dem Herbst beginnen.
Washington/New York. Vor dem Gerichtsgebäude in der Centre Street in Lower Manhattan drängten sich die meist französischen Reporter, Kameras und Fotoapparate im Anschlag. Sie mussten nicht lange nach einem Motiv suchen. Dutzende Frauen hatten sich vor dem Gericht eingefunden, gekleidet in weißen Kitteln, der Uniform von Hotelzimmermädchen, um ihren Protest gegen die mutmaßliche Sexattacke des Angeklagten mit der Seriennummer 2011NY035773 kundzutun.
Als der prominente Delinquent erschien, im blauen Anzug und in Begleitung seiner Frau, kam Bewegung in die Ansammlung. Die Aktivistinnen – großteils Mitglieder der Hotelarbeitergewerkschaft – fingen an, ihn zu schmähen. „Schande über dich“, skandierten sie, selbst, als er bereits außer Sichtweite war. Sie wollten gleichsam ein Spießrutenlaufen veranstalten, nicht unähnlich dem „Perp Walk“ – der demütigenden Vorführung in Handschellen durch die Polizei –, der in Frankreich für so viel Entrüstung gesorgt hatte.
Dominique Strauss-Kahn blieb die erniedrigende Zurschaustellung diesmal allerdings erspart. An der Seite seiner Frau, Anne Sinclair, huschte der 62-Jährige, der bis vor jenem verhängnisvollen Samstag Mitte Mai den Internationalen Währungsfonds mit Sitz in Washington dirigiert hatte, durch einen Seiteneingang in den Gerichtssaal. Und nach wenigen Minuten war das Schauspiel am Montagvormittag auch schon wieder vorüber. Der Richter Michael Obus fragte Benjamin Brafman, den Anwalt Strauss-Kahns, ob sich sein Mandant schuldig bekenne. „Nicht schuldig“, lautete die Antwort kurz und bündig. Damit war die Causa vertagt bis zum 18. Juli. Es war nach einem Prolog über die Freilassung gegen Kaution vor drei Wochen der erste Akt in einem Prozess wegen sexuellen Missbrauchs und versuchter Vergewaltigung, der frühestens im Herbst beginnen wird. In der Zwischenzeit versucht die Verteidigung, entlastendes Material zu sammeln. Detektive durchforsten das Vorleben der Klägerin, einer 32-jährigen Immigrantin aus Guinea, nach Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen das Gesetz.
Strauss-Kahn bleibt in Hausarrest
Die Strategie der Anwälte Strauss-Kahns läuft offenkundig darauf hinaus, den Sex als einvernehmlich darzustellen, wie Brafman in einem Statement vor der Presse angedeutet hat. Die Staatsanwaltschaft zeigt sich dagegen siegesgewiss.
Sie hat ihr Team zuletzt sogar verstärkt. Dominique Strauss-Kahn richtet sich auf einen langen, heißen New Yorker Sommer in seinem luxuriösen Hausarrest ein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2011)