Ein Befreiungsschlag für die Unis – und für die ÖVP

Mit seinem Gesamtkonzept zur Hochschulreform könnte Karlheinz Töchterle schon bald einen Achtungserfolg feiern. Der SPÖ gehen langsam die Argumente aus.

Ein talentierter politischer Showman ist  Karlheinz Töchterle wahrlich nicht. Wer den Wissenschaftsminister in der gestrigen ORF-„Pressestunde“ verfolgte, wie er weitgehend stoisch vor sich hin dozierte, dem konnte glatt entgehen, von welch großer Bedeutung seine Ausführungen sein könnten. Mit seinem „Gesamtkonzept“ könnte es dem Minister nämlich gelingen, nicht nur die Unis aus ihren Kapazitätsengpässen zu befreien, sondern auch seine Partei, die ÖVP, im seit einigen Wochen schwelenden Koalitionsstreit zurück in die Position des Angreifers zu bringen – und so den Regierungspartner SPÖ unter Druck zu setzen.

Doch der Reihe nach: Wenn Töchterle von Finanzministerin Maria Fekter (die unerlässlich auf ihren budgetären Konsolidierungskurs hinweist) für die Jahre 2013 bis 2015 tatsächlich die sogenannte „Uni-Milliarde“ erstreiten kann, würde er nicht nur seine Amtsvorgängerin in den Schatten stellen (die glücklos agierende Beatrix Karl, die seit der Umbildung des ÖVP-Teams im Justizressort werkt, hat sich mit ebendieser Forderung stets die Zähne am eigenen Finanzminister ausgebissen). Karlheinz Töchterle würde damit auch einen innerparteilichen Achtungserfolg einfahren – und seine eigene Position in der ÖVP stärken. Galt der ehemalige Rektor bei Amtsantritt vor einem halben Jahr doch als politisches Leichtgewicht, dem kaum Chancen eingeräumt wurden, gegen die erfahrene Verhandlerin Fekter zu bestehen.

Auch taktisch kommt der Vorstoß des Wissenschaftsministers für die ÖVP zur rechten Zeit: Mit etwas politischem Geschick könnte es der Partei gelingen, das Uni-Thema, in dem sie tonangebend ist, nun am Köcheln zu halten. Und damit den Fokus von der Debatte über Vermögenssteuer und Abschaffung der Wehrpflicht, die die SPÖ in den vergangenen Wochen oktroyiert hat, weglenken. Denn beide Themen – dafür haben die Sozialdemokraten gesorgt – lassen die ÖVP derzeit vor allem als Blockierer auftreten. Mit Kritik an Töchterles Plänen wird sich die SPÖ zudem schwertun: Abgesehen davon, dass man Geschäftsführerin Laura Rudas mit der erwartbaren Botschaft aussenden wird, dass man „immer noch“ gegen die bösen Studiengebühren sei, findet sich in dem Konzept kaum etwas, das der SPÖ dazu dienen könnte, wieder einmal das „Ende des sozialen Friedens“ auszurufen.

Mehr noch: Die Forderung nach zusätzlichem Geld für die Unis war zuletzt vor allem eine der SPÖ, nicht der ÖVP. (Warum man es der SPÖ – als Kanzlerpartei – durchgehen ließ, quasi keinen Einfluss auf diese Frage zu haben, ist ein anderes Thema.)

Inhaltlich ist der Vorstoß Töchterles dennoch kritisch zu betrachten. Denn die Uni-Milliarde hat bei genauerem Hinsehen zwei große Schwachpunkte. Erstens: Es handelt sich um keine „echte“ Milliarde. Sie ist keine zusätzliche Einmalzahlung, die als Initialzündung für Reformen dienen könnte. Das Geld wird über drei Jahre verteilt zugeschossen. Vor allem aber: Noch mehr Steuergeld in die Unis zu pumpen, löst keine Strukturprobleme. Die entscheidende Frage bleibt völlig offen: Woher soll denn, angesichts der dramatischen Staatsverschuldung, das Geld kommen? Einfach nur, wie Fekter andeutete, auf eine „günstigere Konjunkturentwicklung“ zu hoffen, ist definitiv zu kurzsichtig.

Wenn die Euphorie über zusätzliche Uni-Mittel einmal abgeklungen ist, wird Töchterle vor allem an den anderen Punkten seines Konzepts arbeiten müssen. Dass es eine stärkere Zugangsbeschränkung braucht, steht außer Frage. Die SPÖ wird sich, wenn die Zeit reif ist, in diesem Punkt fügen. Mehr Fingerspitzengefühl braucht es bei den Studiengebühren. Diese von den Unis selbsttätig einheben zu lassen, ist per se kein Problem. Immerhin will Töchterle per Gesetz sicherstellen, dass eine vernünftige Obergrenze nicht überschritten wird. Zu einem sollte der Staat, der die Unis mit diesem Schritt noch ein Stück weiter in die Autonomie entlässt, diese aber anhalten: dass die Einnahmen durch die Gebühr nicht irgendwo im Uni-Betrieb versanden. Sie müssen dafür genutzt werden, qualitätsvolle Bedingungen für alle Studierenden zu sichern. Denn: Was etwas kostet, muss auch etwas wert sein.


E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2011)

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