„Steuervorteile für Private, die an Unis spenden“

(c) Dapd (Nigel Treblin)
  • Drucken

Thomas Estermann von der Europäischen Universitätenvereinigung rät Österreich zu einem stärkeren Mix aus öffentlicher und privater Uni-Finanzierung – auch durch die Studenten selbst.

Die Presse: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle will wieder Studiengebühren in Österreich einführen. Wie beurteilen Sie das?

Thomas Estermann: Erst einmal: Die Debatte wird in Österreich im europäischen Vergleich auffallend ideologisch geführt, siehe das Thema der Studiengebühren, siehe aber auch das Thema des freien Hochschulzugangs. Man geht hier gar nicht auf die Sachebene. Langfristig gesehen ist aber gerade im internationalen Wettbewerb eine zusätzliche Finanzierung im Vergleich zur jetzigen Situation absolut notwendig, wenn man den Anspruch stellt, sowohl bei der Forschung als auch bei der Lehre bei den Besten dabeizusein.

Woher soll das zusätzliche Geld kommen? Vom Staat? Aus der Wirtschaft? Oder eben auch von den Studierenden, wie Töchterle das will?

Zuerst stellt sich die Frage, ob der Staat sich die Finanzierung auch leisten kann. Norwegen etwa ist ein sehr reicher Staat, es übernimmt den größten Teil der Uni-Finanzierung. Bei den meisten Ländern, auch Österreich, wird es langfristig aber wohl nicht möglich sein, dass hochwertige Lehre und Forschung ausschließlich der Staat finanziert. Man wird auch an Beiträge von den Studierenden selbst denken müssen. Ohne solche wird das Uni-System in Österreich langfristig schlicht nicht finanzierbar sein. Es wird aber auch sonstige private Mittel von Nicht-Studierenden brauchen. Fundraising wäre eine Möglichkeit.

Halten Sie etwa 500 Euro Studiengebühr im Semester, wie sie der Minister vorschlägt, für vernünftig?

Man muss wohl differenzieren, ob es um Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudien geht. Beim Bachelor könnte es ein relativ gesehen geringerer, beim Master ein etwas höherer Betrag sein. Mit 500 Euro läge man erst einmal annähernd bei einer Summe, die es schon einmal in Österreich gab, und das war damals keine unerhebliche Einnahmequelle für die Universitäten. Es wäre für eine Wiedereinführung kein schlechter Normwert. Österreich bräuchte aber gleichzeitig eine langfristige Perspektive: Wie soll das System insgesamt aussehen? Wie würden Unterstützungssysteme neben den Gebühren ausschauen? Das zählt.

Sie haben auch Mittel aus der Wirtschaft für die Universitäten angesprochen . . .

Eine entsprechende Grundfinanzierung würde das nicht ersetzen. Bewährt haben sich aber, zum Beispiel in Großbritannien oder Dänemark, Anreizsysteme, bei denen jeder eingenommene Euro aus Geldbeschaffung bei der Wirtschaft durch einen weiteren Euro oder durch weitere 50 Cent vom Staat ergänzt wird. Damit hat die öffentliche Hand relativ gesehen einen geringen Aufwand.

Der Präsident Ihrer Vereinigung, der Europäischen Universitätenvereinigung, Jean-Marc Rapp, hat schon einmal gesagt, der Steuerzahler selbst könnte den Universitäten Geld widmen. Wie könnte so etwas in Österreich praktisch funktionieren?

Da sind verschiedene Steuersysteme denkbar. Erstens ein Modell, das Privaten, die Universitäten spenden, Steuervorteile bringt. So etwas gibt es bereits in einigen europäischen Ländern. Und zweitens ein Modell, siehe etwa Frankreich, im Rahmen dessen von Unternehmen ab einer bestimmten Größe eine gewisse Steuer eingehoben wird, die dann gezielt den Universitäten zugutekommt. Den Großteil der Finanzierung der Universitäten leistet in Österreich aber ohnehin der Steuerzahler. Entscheidend wäre ein intelligenter und langfristig orientierter Mix aus mehreren Finanzierungsströmen, dies auch im Sinne eines Risk Managements. Je höher der Anteil der öffentlichen Finanzierung, desto schwerwiegender wären auch die Auswirkungen für die Unis in Krisenzeiten.

Braucht es auch eine Beschränkung der Studienplätze? Und dann eine Studienplatzfinanzierung, also eine fixe Summe pro Studienplatz vom Staat?

Eine solche Finanzierung funktioniert bereits in mehreren Ländern, gemischt aber natürlich mit Leistungsvereinbarungen für die Universitäten. Das wäre sicher eine geeignete Form. Und wenn nicht unbeschränkt Geld zur Verfügung steht, wovon nicht auszugehen ist, dann muss man auch die Anzahl der Studierenden beschränken. Es gibt neben Österreich auch nur noch drei Länder in Europa, die das noch nicht tun: Frankreich, die Niederlande und die Schweiz.

Wie sollte man die Studenten auswählen? Jede Uni für sich?

Im Großteil der Länder legen tatsächlich die Universitäten selbst die Aufnahmekriterien fest. Das zweite sehr gebräuchliche Modell ist eines, bei dem der Staat Grundkriterien festlegt, die Universitäten aber Zusatzkriterien fixieren. Auch das hat sich bewährt.

Zur Person

Thomas Estermann ist seit 2007 Chef der Abteilung für Governance, Autonomie und Finanzierung bei der Vereinigung Europäischer Universitäten in Brüssel, die auch österreichische Unis vertritt. Als Experte war der Jurist an den beiden jüngsten Uni-Reformen im Land beteiligt. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Chancen Risiken Wenn Gebuehren
Hochschule

Chancen und Risiken: Wenn die Uni Gebühren kassiert

In vielen europäischen Ländern können die Unis relativ autonom über die Höhe ihrer Gebühren entscheiden. Für die Universitäten kann das auch zusätzliche Konflikte bringen.
Hochschule

Gebühren: Platter kritisiert SPÖ wegen "Stur-Kopf-Politik"

Die Blockadehaltung der SPÖ beim Thema Studiengebühren sei für die Mehrheit der Österreicher nicht nachvollziehbar, kritisiert der Tiroler Landeschef.
Hochschule

SPÖ weiter gegen Gebühren

Minister Töchterle wirbt vergebens für sein Modell. SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl erteilte Töchterle eine Abfuhr. Die SPÖ wolle nicht mehr Hürden für die höhere Bildung.
Hochschule

Gebühren: Rektoren widersprechen Töchterle

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle will die Unis selbst über die Höhe der Studiengebühren entscheiden lassen. Nur Obergrenze soll gesetzlich geregelt sein. Diesen geht dieser Vorschlag aber viel zu weit.
Symbolbild
Hochschule

Gebühren: EU kritisiert Österreichs Uni-Politik

Die Mehrheit der EU-Staaten hebt Studiengebühren ein. Viele setzen dabei Beihilfen zur Steuerung ein. Österreich sei hingegen in einer "passiven Rolle", kritisiert die EU-Kommission am österreichischen System.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.