Die ÖVP hat sich in puncto Studiengebühren wohl zu früh gefreut. Kaum ein Rektor dürfte sich trauen, ab März eigenständig Studiengebühren einzuheben. SPÖ nützt die Situation, um Minister Töchterle abzustrafen.
Wien. Die ÖVP hat sich in puncto Studiengebühren wohl zu früh gefreut. Einen Moment lang durfte sie auf eine Wiedereinführung der Gebühr hoffen – doch nun scheint das Pendel wieder in Richtung des Koalitionspartners auszuschlagen. Man rechne nicht damit, dass eine einzige Uni im Alleingang Studiengebühren einführen würde, heißt es aus SPÖ-Kreisen. Zumal mittlerweile mehrere Juristen dem Gutachten widersprochen haben, das Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) beim Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer in Auftrag gegeben hat – der ehemalige Verfassungsgerichtshof-Präsident Karl Korinek eingeschlossen.
Eine Ansicht, die man auch in Uni-Kreisen teilt: In der Tat dürfte sich kaum ein Uni-Chef nach derzeitigem Stand darauf einlassen, Gebühren einzuheben – nur, um sie womöglich wenig später wieder rückerstatten zu müssen. Rektorenchef Heinrich Schmidinger forderte von Anfang an rechtliche Sicherheit.
Denn ein Gutachten ist im Grunde nicht mehr als die Meinung eines einzelnen Juristen, die Lage also rechtlich wackelig: Bescheide, mit denen die Unis Gebühren erlassen, könnten von betroffenen Studierenden angefochten werden. Nur der Verfassungsgerichtshof könnte letztgültig klären, ob die Universitäten tatsächlich befugt sind, eigenständig Studiengebühren einzuheben – oder ob Mayer in seiner Interpretation zu weit gegangen ist. Für Universitäten, die Studiengebühren einheben, wäre das ein Albtraum-Szenario. Denn: Wer entschädigt sie im Fall einer Verfassungsklage, wenn sie die eingehobenen Mittel verplant, oder gar bereits ausgegeben haben?
SPÖ verärgert über Töchterle
Die Situation stellt sich also wieder ähnlich dar, wie vor dem Mayer-Gutachten. Und das spielt der SPÖ in die Hände: Sofern sich nicht doch noch ein Uni-Rektor findet, der bereit ist, unter derzeitigen Bedingungen einen Versuch zur Einführung der Studiengebühren zu wagen, laufen die Gebühren mit März de facto einfach aus.
Die Sozialdemokraten werden daher – wie schon bisher – auf Zeit spielen. Und zwar nicht nur, um die Einführung der Studiengebühren zu verhindern. Sie nützen auch die Chance, mit Töchterle ausgerechnet den in der Bevölkerung wohl beliebtesten ÖVP-Minister abzustrafen. Denn: Die Verärgerung über seinen Alleingang in puncto Gebühren ist groß.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2011)