Die Milliardenkinder der UNO und ihre Rabenpaten

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1987 und 1999 stand jeweils ein UN-Generalsekretär an der Wiege eines Milliardenkinds, und ließ danach nichts mehr von sich hören. Bekanntheit verbesserte auch in keiner Weise die finanzielle Lage der Familien.

Zagreb. Die Last der unfreiwilligen Interviews hat der geplagte Jubiläumsbürger schon seit sechs Jahren zu tragen. Bis zu seinem 18.Lebensjahr habe noch seine Mutter den alljährlich an seinem Geburtstag anrufenden Journalisten Rede und Antwort gestanden, danach habe er selbst „diese Bürde“ übernommen, erzählt Matej Gaspar in der elterlichen Wohnung in Zagreb. Für die vermehrten Interviewanfragen im Vorfeld der nahenden Vergrößerung der Weltbevölkerung auf sieben Milliarden Menschen hat der schlaksige Kroate nur bedingt Verständnis. Er fühle sich „als absolut nichts Besonderes“, versichert der Milliardenmensch wider Willen: „Mir geht die ganze Sache eher auf den Geist. Am Geburtstag rufen mich unbekannte Menschen und Journalisten an. Aber sonst habe ich davon noch nie irgendwelchen Nutzen gehabt.“

Vor 24 Jahren, als die Weltbevölkerung die Fünf-Milliarden-Grenze überschritt, hatte die UNO erstmals ein neugeborenes Kind offiziell zum Milliardenbürger gekürt. Der Terminkalender des damaligen UN-Generalsekretärs bestimmte die zufällige Wahl. Weil Javier Perez de Cuellar gerade bei der Universiade in Zagreb weilte, präsentierte er am 11.Juli 1987 den sieben Pfund schweren Matej kurz nach dessen Geburt der Weltöffentlichkeit. „Sie sollten dankbar sein, dass ihr Sohn im Wohlstand geboren worden ist“, beglückwünschte er die damals 23-jährige Mutter Sanja zu ihrem zweiten Kind.

Beethovens „Ode der Freude“ erklang hernach beim bombastischen Festempfang vor 7000 Geladenen in Zagreb zu Ehren der Geburt des fünften Milliardenmenschen. Seinen prominenten Wiegenwächter bekam der Sohn einer Krankenschwester und eines Elektrikers nie mehr zu Gesicht.

Ausgerechnet in dem von Bevölkerungsschwund geprägten Ex-Jugoslawien sollte die UNO zwölf Jahre später erneut einen Säugling zum Milliardenbürger ernennen. Als die Welt am 12.Oktober 1999 ihrer Ausweitung auf sechs Milliarden Menschen harrte, weilte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan in dem noch vom Krieg gezeichneten Bosnien und Herzegowina. Strahlend nahm der Ghanaer in der Geburtsklinik von Sarajewo den wie eine Mumie verpackten Adnan Nević in die Arme. Die Geburt des „wunderschönen“ Jubiläumskindes sollte „dem Planeten den Weg für mehr Toleranz und Verständnis leuchten“, so die Botschaft des UN-Diplomaten.

Enttäuschte Hoffnungen in Visoko

Doch auch Adnan Nević wurde von seinem UN-Paten rasch vergessen. „Kofi Annan hielt mich hoch, als ich geboren wurde – danach haben wir von der UNO nichts mehr gehört“, berichtet der heute mit seiner Familie in einer Einzimmerwohnung in der Provinzstadt Visoko lebende Schüler. Sie hätten den UN-Generalsekretär damals als eine Art „Patenonkel“ empfunden, so Vater Jasminko. Gefreut habe sie sich nach der Geburt, dass die UN-Wahl auf ihr Kind fiel, so die enttäuschte Mutter Fatima: Doch dessen Status als Milliardenbürger habe die missliche Lage ihrer Familie auch nicht verbessert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2011)

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