Die Fürsten Liechtenstein scheinen das Bankgeschäft in den Genen zu haben. Doch zur Steueroase wurde das Fürstentum erst nach 1945.
Zwergenstaat, Briefkastenstaat, Steuerparadies, Hort der Geldwäsche. Wie viele Beleidigungen verträgt eine Landespsyche eigentlich? Kein Wunder, dass die Liechtensteiner es gerne zurückzahlen, zumindest verbal, in Form von Österreicherwitzen. Dass unter gleichsprachigen Staaten gerne der Kleinere auf den Größeren und der Ärmere auf den Reicheren hinhackt, muss man z.B. den Piefkes nicht erzählen, zur Erklärung dieser Unesco-Welterbe-würdigen Minderwertigkeitskomplexe braucht es keine europäische Familienaufstellung.
Woher aber kommt der ambivalente Ruf des viertkleinsten europäischen Staates? Woher kommt es, dass sogar bei der Eröffnung des Wiener Liechtenstein Museums sofort alle hinter vorgehaltener Hand über steuerliche Hintergedanken spekulierten? Jetzt ist das Museum im Alsergrund geschlossen, es hat sich endgültig als nicht rentabel erwiesen. Wobei man sagen muss – für einen Banker hat Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein wahrlich lange durchgehalten, denn rentabel, geschweige denn profitabel kann so ein Museumsbetrieb nicht sein. Die schlechte Nachrede hat der spröde Alt-Schotte dennoch weg. Ein Banker eben. Eine ganze Banker-Dynastie! Noch schlimmer.
Alles begann mit dem namensgleichen Ahnherrn Hans-Adams II., Johann Adam I., dem barocken Finanzgenie, dem die Familie nicht nur die beiden prächtigen Palais in Wien sowie den Grundstock der Kunstsammlung verdankt. Sondern auch ihr heutiges Fürstentum, das er aus den Herrschaften Schellenberg und Vaduz zusammenkaufte. Dadurch besaß die Familie erstmals „reichsunmittelbaren Landbesitz“ und bekam einen Sitz im Reichsfürstenrat des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 1719 wurden die beiden Herrschaften zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhoben. Seit den Umwälzungen der Französischen Revolution ist Liechtenstein als souveräner Staat anerkannt – eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer Basis. (Einer von insgesamt 25 Abgeordneten ist heute besagter Anwalt, der mit Karl-Heinz Grassers Akten gut vertraut scheint.) Auf den ersten Besuch seines Fürsten musste das Ländchen aber warten – erst rund 40 Jahre nach Anerkennung, 1842, schaute AloisII. vorbei. Hauptsitz der Familie wurde Vaduz erst nach Enteignungen durch die Nationalsozialisten 1938. Nach dem Weltkrieg begann der wirtschaftliche Aufschwung – durch Bankgeheimnis und Steuerbegünstigungen machte man die räumliche Beschränktheit wett – „Die Qualitäten stecken im Detail“, wirbt das Land für sich im Internet.
Das Bankengeschäft lag sozusagen in den Genen: Schon um 1700 gründete Johann AdamI. die erste Bank der Familie, die Wiener Girobank. Kein besonders erfolgreiches Unternehmen. Damals hätte wohl niemand gedacht, dass der Name Liechtenstein einmal mit einem Banken-Dorado assoziiert würde. 15 Banken beherbergt das Fürstentum heute. Die fürstliche Hausbank, die LGT Bank, befindet sich seit 80 Jahren in Familienbesitz.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2011)