Politbeben in Liechtenstein nach Affäre um Grasser

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Liechtensteiner Anwalt, der auch für die Regierungspartei FBP tätig ist, soll Unterlagen aus einem Grasser-Ermittlungsakt entwendet haben. Die Anwaltskanzlei weist die Vorwürfe zurück.

Vaduz/Wien. Es schneite in Liechtenstein, und das wäre im friedlichen, fast schon verschlafenen Fürstentum normalerweise die größte Nachricht des Tages. Nicht an diesem Mittwoch: Denn eine Affäre rund um Karl-Heinz Grasser erschüttert das kleine Land. Die Auswirkungen sind so groß, dass die Regierung deswegen sogar heute, Donnerstag, zu einer Sondersitzung zusammentritt.

Anlass für den außergewöhnlichen Schritt sind Unterlagen, die ein Anwalt in Vaduz aus einem Ermittlungsakt über Karl-Heinz Grasser entwendet haben soll. Der Anwalt ist stellvertretender Abgeordneter der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) im Landtag und Partner der prominenten Kanzlei Marxer und Partner. Deren Chef, Peter Marxer, war einst Fraktionsführer der FBP und ist in dem kleinen Fürstentum tief verankert. Die politische Brisanz: Die Fortschrittliche Bürgerpartei stellt derzeit in Liechtenstein mit Aurelia Frick die Justizministerin.

Kanzlei weist Vorwürfe zurück

Die Kanzlei hat am Donnerstag die Vorwürfe, dass ein Anwalt der Kanzlei Akten entwendet habe und diese möglicherweise manipuliert wurden, zurückgewiesen. Diese Spekulationen seien "haltlos und ohne jede
Grundlage", es werde "ohne nähere Sachkenntnis auf tendenziöse und unseriöse Weise berichtet", heißt es in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme.

Es wird darin auch betont, dass die Akten während der Abwesenheit vom Gericht nicht manipuliert worden seien.
"Spekulationen über eine angebliche Manipulation dieser Unterlagen entbehren jeder Grundlage", heißt es.

Regierung verlangt lückenlose Aufklärung

„Die Regierung verlangt, dass alles Notwendige zur raschen und lückenlosen Aufklärung des Falles unternommen wird“, erklärte Regierungssprecher Markus Amann der „Presse“ den Grund für die Sondersitzung. Die Regierung in Vaduz besteht aus einer Koalition der Vaterländischen Union (Regierungschef plus zwei Minister) und der FBP (zwei Minister). Justizministerin Frick sagte dem Vaduzer „Volksblatt“ gestern, die Justiz ermittle unabhängig, sie sei in die Causa nicht involviert.

Der Vorfall um die angeblich entwendeten Unterlagen ereignete sich am 19. Oktober. Damals erhielt der Anwalt (der nicht für Grasser, sondern für einen ehemaligen Manager eines Meinl-Fonds tätig ist) Einsicht in die Akten. Die Ordner enthielten Unterlagen, die bei Hausdurchsuchungen in Liechtenstein in Zusammenhang mit Ermittlungen über die Geldflüsse in der Causa Buwog beschlagnahmt worden waren. Die österreichische Justiz untersucht, ob der ehemalige Finanzminister unerlaubt Provisionen kassiert hat.

Als der Rechtsanwalt nach einiger Zeit das Landgericht wieder verließ, fiel einer Mitarbeiterin das Fehlen der Unterlagen auf. Am 20.Oktober leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Urkundenunterdrückung und Unterdrückung eines Beweismittels gegen den Anwalt ein.

Obwohl das Landgericht in Vaduz in der Affäre zwei Hausdurchsuchungen genehmigte, habe man die Unterlagen nicht gefunden, berichtete Robert Wallner, Leitender Staatsanwalt in Liechtenstein. Erst am 28. November habe der Rechtsanwalt die Akten zurückgegeben. Über den Umfang der entwendeten Akten wollte Wallner keine Angaben machen.

Wurden Notizen wegkopiert?

Ob alle Unterlagen retourniert wurden, werde derzeit ebenso untersucht wie die Frage, ob die Papiere unverfälscht zurückgegeben wurden. Die Zeitschrift „News“ berichtet, es bestehe der Verdacht, dass bei den entwendeten Akten handschriftliche Vermerke wegkopiert worden seien, die Grasser belastet hätten. In Vaduz wollte man dazu keinen Kommentar abgeben.

Schweigsam war man auch bei Marxer und Partner in Vaduz. Ein Partner der Kanzlei verwies auf das laufende Verfahren und auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht. Der Mann wollte nicht einmal bestätigen, dass ein Mitarbeiter der Kanzlei (dessen Name aus rechtlichen Gründen nicht genannt werden kann) in die Affäre verwickelt ist.

Grassers österreichischer Anwalt, Manfred Ainedter, ließ wissen, dass seinem Mandanten die Angelegenheit in Liechtenstein „vollkommen egal ist, weil diese Unterlagen schon vor Monaten der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden“. Ainedter bestätigte aber, dass der betroffene Anwalt in einer Stiftung von Grasser als Stiftungsrat tätig ist.

In Österreich gipfelte die Aufregung um die Vorgänge in Liechtenstein im Ruf nach einer Festnahme Grassers. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter forderte die Justizbehörden auf, die Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Ex-Finanzminister zu prüfen. Es handle sich mittlerweile „um einen geradezu klassischen Fall von Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr“. Ein Vorwurf, der den Zorn von Grassers Medienanwalt Michael Rami auf sich zog. Er teilte am Mittwochabend mit, dass sein Mandant Kräuter auf Üble Nachrede und Kreditschädigung klage.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will die Sache auch zum Thema im Untersuchungsausschuss des Nationalrats machen, der sich unter anderem mit dem Verkauf der Buwog beschäftigt. Auch FPÖ, Grüne und BZÖ fordern Aufklärung im U-Ausschuss. Für die ÖVP meinte Werner Amon im ORF-Radio, dass strafrechtliche Handlungen in Liechtenstein auch in Liechtenstein zu verfolgen seien. Es sei allenfalls eine Amtshilfe Österreichs möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2011)

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