Wien baut Kindergärten massiv aus

Wien baut Kindergaerten massiv
Wien baut Kindergaerten massiv(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Wien investiert 2012 kräftig in den Ausbau der Betreuungsplätze, die Stadt bekommt auch einen Bildungscampus. Der Personalmangel bei Kindergärtnerinnen bleibt aber ungelöst.

[WIEN] Für Christian Oxonitsch wird 2012 das Jahr der Spatenstiche und Eröffnungen. Dass die Stadt Wien heuer intensiv in Bildungseinrichtungen investiert, wird sich in zahlreichen Fototerminen des Bildungsstadtrates manifestieren: Ein Spatenstich hier (etwa auf dem Bildungscampus am neuen Hauptbahnhof), ein Baubeginn da (neue Berufsschule in der Embelgasse in Margareten). Dazu die Eröffnung eines neuen Kindergartens in prominenter Lage (Stadtpark), um nur einige der prestigeträchtigeren Beispiele zu nennen.

Keine Frage, die Stadt lässt sich die Betreuung von Kindern und Jugendlichen einiges kosten. Wien ist nach wie vor das einzige Bundesland, dass sich den (teuren) kostenlosen Ganztagskindergarten für alle unter Sechsjährigen leistet. An der Maßnahme, 2009 rechtzeitig vor den letzten Gemeinderatswahlen eingeführt, werde auch nicht gerüttelt, versichern Oxonitsch und sein Bürgermeister Michael Häupl immer wieder, auch wenn etwa die Steiermark die Gratisbetreuung aus Spargründen wieder abgeschafft hat.

Allein in die Kindergärten steckt die Stadt im heurigen Jahr 600 Millionen Euro, um zehn Millionen mehr als im Vorjahr. Damit sollen mindestens 1500 neue Plätze für Kinder zwischen null und sechs Jahren geschaffen werden. 180 dieser Plätze entstehen ab September im erwähnten Kindergarten im Stadtpark (Kosten: 5,36 Mio. €)

Auch wenn man der Stadt wohl nicht gerade Tatenlosigkeit vorwerfen kann: Der Bereich Kleinkinderbetreuung bleibt trotz der Rekordsumme ein großes Problemfeld. Denn bei den Null- bis Dreijährigen wird trotz stetigen Ausbaus auch heuer das Angebot die Nachfrage nicht decken können. Wieder werden hunderte Krippenplätze fehlen, viele private Kindergärten sind für den kommenden Herbst längst ausgebucht und müssen Interessierte auf Wartelisten setzen. (Für die städtischen Einrichtungen läuft die Anmeldung gerade, siehe Infobox.) Immerhin, so hofft man im Büro Oxonitsch, wird man vermutlich Ende 2012 das sogenannte Barcelona-Ziel – eine EU-Vorgabe – erreichen: Dann soll es für 33 Prozent der unter Dreijährigen Betreuungsplätze geben. Ein Ziel, von dem die anderen Bundesländer noch weit entfernt sind. „Die Kleinstkinderbetreuung ist in Wien besser als in anderen Bundesländern“, sagt Karoline Iber, Chefin des Kinderbüros der Uni Wien. „Aber immer noch nicht ausreichend.“

Ständig auf Personalsuche

Zu den fehlenden Plätzen für die ganz Kleinen kommt ein weiteres, altbekanntes Problem: Es mangelt nach wie vor an Kindergartenpädagoginnen. Der katholische Familienverband spricht von 270 fehlenden Pädagogen, die Oppositionspartei ÖVP gar von 700. Die Stadt weiß um das Problem. Als nicht wirklich optimale Überbrückung führen in vielen Einrichtungen „pädagogische Assistenten“ vorübergehend Gruppen, obwohl sie dies von ihrer Qualifikation her eigentlich nicht dürften. „Wir sind eigentlich das ganze Jahr über auf der Suche nach Pädagoginnen“, sagt Monika Riha, Geschäftsführerin von „Kinder in Wien“ (Kiwi), einem der größeren privaten Kindergartenträger der Stadt. Kiwi möchte im Herbst sechs neue Kindergärten eröffnen, sofern man genügend Personal – an die 70 Leute – findet. „Jede Pädagogin kann sich heute in Wien zwischen fünf Stellen entscheiden,“ sagt Riha.

Was sich auch auf die Qualität des Personals auswirken dürfte: Viele Einrichtungen müssen nehmen, wen sie bekommen. Sofern diese überhaupt bleiben: Denn nach wie vor wandern viele Absolventen in andere Bundesländer ab, wo sie mehr verdienen, oder steigen gar nicht erst in den Job ein. Wobei das Einstiegsgehalt mittlerweile merklich erhöht wurde und mit 1900 Euro brutto auf dem Niveau des Gehalts eines Volksschullehrers liegt.

Kiwi-Chefin Riha ortet beim Personalmangel den größten Handlungsbedarf im heurigen Jahr. Sie fordert eine „Imagekampagne“ der Stadt und zusätzliche Lehrgänge, um mehr Personal zu rekrutieren.
Zwar hat Wien mit den stadteigenen Lehrgängen „Pick up“ (hier können sich pädagogische Assistentinnen weiter qualifizieren) und „Change“ (für Berufsumsteiger) seit 2008 in die Ausbildung investiert, die Zahl der Absolventen sei aber laut Riha zu niedrig, um den Bedarf zu decken. Zudem sind die Absolventen vertraglich verpflichtet, in einer städtischen Einrichtung anzufangen, die privaten Kindergärten – die die Mehrheit der Wiener Kinder (56,4 Prozent) betreuen – profitieren nicht davon. In den städtischen Kindergärten können die Absolventen heuer aber einige Lücken füllen: Im Februar werden 101 „Pick up“-Studierende fertig, im März starten vier neue Lehrgänge.

Engpässe gibt es aber bisweilen auch bei den älteren Kindern: Hortplätze sind – etwa bei Kiwi – sehr gefragt. Den steigenden Bedarf an Nachmittagsbetreuung will die Stadt mit dem Ausbau der Ganztagsschulen decken: Fünf neue Standorte kommen im Schuljahr 2012/13 dazu, einer davon ist der „Bildungscampus Donaufeld Nord“ im 21. Bezirk. Hier werden 13 Klassen der Ganztagsvolksschule und neun Kindergartengruppen beheimatet sein. Noch größer dimensioniert wird der „Bildungscampus Hauptbahnhof Wien“ für Null- bis 14-Jährige, der ab dem Herbst 2012 errichtet und 2014 eröffnen wird.
Für Kinderbüro-Chefin Iber sollte 2012 auch im Zeichen der Chancengleichheit stehen. Zwar sind etwa Kulturangebote dank des Gratiseintritts für Kinder in Bundesmuseen für alle zugänglich, in der Praxis „ist es aber immer noch eine Barriere, von jenseits der Donau in die Innenstadt zu kommen“. Hier seien Schulen und Organisationen gefragt, um auch Kindern aus benachteiligen Familien den Zugang zu ermöglichen.

Pflegeeltern gesucht

Im heurigen Jahr geht die Stadt außerdem ein weiteres sensibles Gebiet an: Den (überfälligen) Ausbau der Krisenintervention in gefährdeten Familien. So wird die ambulante Krisenarbeit erweitert. Auch die Wohngemeinschaften von Jugendlichen, die ihren Eltern abgenommen wurden, werden ausgebaut. Zudem werden heuer erstmals für Kinder, die aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht in einer WG unterkommen, „sozialpsychiatrische Pflegefamilien“ gesucht, sprich: Die Pflegeeltern sollen eine pädagogische oder psychiatrische Ausbildung haben.
Stadtrat Oxonitsch wird heuer aber nicht nur Schulen und Kindergärten eröffnen: Auch das „Ferienspiel“, das jährlich tausenden Kindern kostenlos Ferienaktivitäten bietet, wird heuer 40 Jahre alt.

In der Serie „Wien 2012“ sind bisher erschienen: Tourismus (2. 1.), Wohnbau (3. 1.), Wirtschaft (4. 1.), Soziales (5. 1.., Sport (7. 1.).

Auf einen Blick

Die Stadt Wien investiert heuer 600 Mio. Euro in die Kinderbetreuung und will damit unter anderem 1500 Plätze in Krippen und Kindergärten schaffen. Nach wie vor fehlen aber hunderte Kindergartenpädagogen. Die Anmeldung für die städtischen Kindergärten und -krippen läuft derzeit bis Ende Februar. Infos: 01/ 277 55 55 oder www.kindergaerten.wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Wien

50-Millionen-Geldspritze für Fußball in Wien

Drei Stadien für zwei Klubs. Wien baut Sportinfrastruktur aus. Davon soll die Wirtschaft profitieren. Und Stadtrivalen SK Rapid und FK Austria. Im Freizeitsport erhalten Eisläufer und Schwimmer neue Möglichkeiten.
Symbolbild
Wien

„Eistraum“ wird immer größer

Die Eislauffläche im Park vor dem Rathaus wurde heuer von 6000 auf mehr als 7000 Quadratmeter deutlich erweitert, dazu gibt es einen Kilometer „Traumpfad“. Die Eröffnung findet am 19. Jänner um 19 Uhr statt.
Wien

Armut in Wien: Erfolge und offene Baustellen

Bei Maßnahmen gegen Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit gilt Wien in vielerlei Hinsicht als Vorreiter. Experten orten dennoch Lücken im Vollzug und Verbesserungsbedarf in zahlreichen Punkten.
Wien

Sternsinger: Brauchtum und Hilfe für arme Menschen

Seit dem Winter 1954/55 sind die Sternsinger der Katholischen Jungschar in ganz Österreich unterwegs, um Spenden zu sammeln. Allein im Vorjahr kam dabei eine Summe von 14,8 Millionen Euro zusammen.
Symbolbild
Wien

Wien zwischen Schuldenabbau und Bildungsdefizit

Warum die Stadt Wien ihren Schuldenstand von vier Milliarden Euro erst in den kommenden Jahrzehnten abbauen will, was die Unternehmer verärgert und wo die Stadt auf dem Ausbildungssektor großen Nachholbedarf hat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.