Griechenland: Die Bucht der Freiheit

Dort, wo einst eine blutige Seeschlacht die Grundlage für den griechischen Nationalstaat geschaffen hat, beginnt eine neue Ära der griechischen Tourismusbranche.

Auf der kurvenreichen Küstenstraße, die sich in die Hänge rund um die Gemeinde Pylos im südlichen Peloponnes schmiegt, kann sich der Unkundige leicht verirren. Es gibt zahlreiche Abzweigungen, die vorbei an versteckten Bauernhöfen in dicht bewachsene Olivenhaine führen und sich meist als Sackgassen entpuppen. So ärgerlich so eine Irrfahrt ist, meistens wird man dafür mit einem grandiosen Panorama belohnt, das alle Charakteristiken einer mediterranen Postkartenidylle aufweist. Es handelt sich um die smaragdgrüne Bucht von Navarino, einen Meerbusen von fünf Kilometer Länge und 2,5 Kilometer Breite, der von den Auswirkungen des modernen Massentourismus völlig verschont blieb.

Wer den Blick über dieses Idyll schweifen lässt, ahnt nicht, dass sich hier vor etwas mehr als 200 Jahren die Zukunft des heutigen Griechenlands entschieden hat. Die Bucht von Navarino war am 20. Oktober 1827 Schauplatz einer blutigen Seeschlacht zwischen der osmanisch-ägyptischen Flotte und einem alliierten Verband von 27 französischen, englischen und russischen Schiffen, deren Ausgang – die Alliierten versenkten die gesamte Flotte des Sultans – den Grundstein für die Gründung des griechischen Nationalstaats legte.

Österreichische Schlachtenbummler.
Beobachtet wurde das für die Konstitution des griechischen Königreichs (1830) entscheidende Gemetzel von der Besatzung des österreichischen Schoners „Enrichetta“ unter Kapitän Logotheti, der sich in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober unbemerkt in die Bucht geschlichen und dort versteckt hatte.

Historisch interessierte österreichische Touristen, die sich selbst einen Eindruck von dem Schlachtfeld machen möchten, brauchen nicht mehr zu solcher Heimlichtuerei zu greifen. Und sie reisen auch eher selten per Schiff, sondern deutlich bequemer mit Flieger und/oder Auto an.  Was aber mitunter auch recht umständlich ist. Navarino Bay liegt im Südwesten des Peloponnes in der Provinz Messenien. Um die Region zu erreichen, muss man derzeit nach Athen fliegen und einen rund vierstündigen Bustransfer quer durch den Peloponnes in Kauf nehmen. Alternativ dazu kann man sich ab Athen auch für einen Inlandsflug nach Kalamata entscheiden.

Ab 20. Mai 2012 wird die Anreise aber deutlich einfacher: Dann fliegt Lauda Air die Provinzhauptstadt von Wien jeden Sonntag direkt an. Von Kalamata bis Pylos, einem reizvollen Fischerdörfchen am Rande der Bucht, sind es dann nur mehr 50 Kilometer Überlandstraße. Die eher umständliche Erreichbarkeit hat aber auch etwas Gutes – die Region ist bisher weitgehend vom Massentourismus verschont geblieben. Individualisten treffen hier auf ein unverfälschtes Griechenland ohne den ausufernden Kitsch der Souvenirläden, ohne überfüllte Strände oder lärmende Diskotheken. Charakteristisch für die bäuerlich geprägte Gegend sind die ausgedehnten Olivenhaine, deren Bäume oft älter als hundert Jahre sind. Als Kalamata-Oliven finden sich deren dunkle Früchte in unseren Supermarktregalen.

Doch es sind weniger die Oliven, die die Touristen hierherlocken. Einen Kilometer nördlich von Pylos erstreckt sich die Ochsenbauchbucht (Voidokilia), die mit ihrer charakteristischen Sichelform und dem smaragdgrünen Wasser als schönster Badestrand des Peloponnes gilt. Da an die Lagune das naturgeschützte Feuchtgebiet von Yalova angrenzt, kann man direkt vom Strand aus auch Flamingos, Seidenreiher, Fischadler oder die verschiedensten Zugvögel beobachten, die hier Station machen.
Einen tollen Blick über die Navarino-Bucht hat man von den Ruinen der ausgedehnten Befestigungsanlage „Neo Kastro“ (Neue Burg). Die Osmanen haben sie im 16. Jahrhundert errichtet, um die südliche Einfahrt des Meerbusens kontrollieren zu können. Sie ist von Pylos in wenigen Gehminuten erreichbar. Noch spektakulärer präsentiert sich das Panorama von „Paleo Kastro“ (Alte Burg), einer weiteren verfallenen Feste, die – erbaut auf einem hohen Felsen - den nördlichen Rand der Bucht beherrscht.

Beide Aussichtspunkte sind hervorragend geeignet, um die Ereignisse des 20. Oktober 1827 vor dem geistigen Auge Revue passieren zu lassen, und fast vermeint man, den Kanonendonner zu hören, der die Bucht einst erfüllt hat.
Noch näher dran ist man nur in der Bucht selbst: Bei ruhigem Wasser lassen sich die Konturen der gesunkenen Schiffe erahnen, bei einem Tauchgang die Wracks sogar erkunden. Einige der in der Schlacht von Navarino benutzten Originalhandfeuerwaffen sind – verwahrt hinter dickem Panzerglas –  in der Lounge-Bar „1827“ ausgestellt. Das nach dem Jahr der Schlacht von Navarino benannte Lokal ist Teil des Westin, eines luxuriösen Hotelresorts mit mehreren Restaurants, Swimmingpools, großem Spa, Agora (Marktplatz), Open-Air-Kino, Geschäften, einem „Kinderdorf“ und Zimmern mit eigenem Minipool auf der Terrasse. Flankiert wird das Westin von einem weiteren Fünfsterneresort, dem Romanos. Mit diesem teilt es sich einen ein Kilometer langen Sandstrand und zwei Golfplätze mit Blick aufs Meer.

Erstes Ganzjahresziel Griechenlands. Beide Anlagen gehören zu einem zwei Milliarden Euro schweren Entwicklungsprojekt, mit dem ein steinreicher griechischer Reeder die Region touristisch erschließen will. Insgesamt rund tausend Hektar Land sollen in diesem Zusammenhang verbaut werden. Anders als die meisten anderen Regionen Griechenlands wird Navarino Bay dabei als ganzjährige Destination vermarktet. Nicht nur Golfplätze und Spa sollen die betuchte Klientel in den kühleren Monaten anlocken, auch kulturelle Angebote bilden einen Schwerpunkt im Angebot. Kurse in traditioneller Kochkunst, durchgeführt von einheimischen Hausfrauen etwa, Olivenernte-Ausflüge oder philosophische Spaziergänge mit Uni-Professoren nach dem Vorbild von Sokrates, Plato oder Aristoteles.

Solche Animationsprogramme sind zwar nett, wesentlich spannender ist es jedoch, sich auf eigene Faust auf kulturelle Entdeckungsreise zu begeben. Denn wie fast ganz Griechenland verfügt auch Messenien über einen überaus geschichtsträchtigen Boden. Zu den „jüngeren“ Artefakten gehört neben den bereits erwähnten auch die aus dem 13. Jahrhundert stammende Festungsanlage von Methoni. 45 Autominuten südlich von Pylos direkt am Meer gelegen, umfasste sie einst eine kleine mittelalterliche Stadt.

Auf den Spuren frühgriechischer Geschichte wandelt man hingegen im „Palast des Nestor“, den Resten eines mykenischen Palastes, der ebenfalls in unmittelbarer Nähe von Navarino Bay liegt. Gut erhalten ist etwa ein kreisrunder Feuerplatz mit noch intakter Bemalung der Einfassung im Thronsaal und ein „Badezimmer“ mit Badewanne. Zwei uralte Kuppelgräber flankieren die Anlage, die gefundenen Beigaben können im archäologischen Museum von Chora besichtigt werden.

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