Im Jahr 1983 gab es in Wien noch 850 Greißler, 2007 waren es nur noch 300. Aber es gibt ihn auch heute noch, den guten alten Greißler.
Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben. Denn der Abgesang auf den Greißler hat schon vor Jahrzehnten eingesetzt. Tatsächlich mussten in den letzten Jahrzehnten viele kleine Eckgeschäfte den großen Supermarktketten weichen. Kein Wunder: Die großen sind billiger, bieten mehr Auswahl, und es gibt sie längst an jeder Ecke. Im Jahr 1983 gab es noch 850 Greißler, Anfang 2007 waren es nur noch 300, so die Daten der Wirtschaftskammer. Wie viele es heute gibt, weiß niemand so recht, auch nicht die Branchenvertreter. Weil es auch schwierig sei, den Greißler zu definieren, sagt Herbert Schlögl, Obmann der Lebensmittelhändler in der Wirtschaftskammer Wien. „Auch die Großen bezeichnen sich heute als Nahversorger.“
Aber einige Greißler haben überlebt. Und manche haben überhaupt erst aufgesperrt. Denn die Lust der Österreicher auf den kleinen Laden um die Ecke scheint wieder erwacht zu sein: In den sogenannten Bobo-Vierteln tummeln sich die Innovativen, den Gürtel entlang machen die Ethno-Greißler vom Türken bis zum Chinesen ein gutes Geschäft. Und manche haben einfach eine Nische gefunden. „Der typische Greißler von früher ist dem Feinkostgeschäft gewichen oder betreibt heute Partyservice“, sagt Klaus Puza von der Wiener Wirtschaftskammer. Manche hätten ihr Geschäft einfach um einen Cateringdienst, ein Zustellservice oder einen Mittagsimbiss erweitert.
Umsatz im Graubereich. Und manche nützen einfach die Zeit, in der die Supermärkte geschlossen haben, lassen abends länger offen oder sperren am Sonntag auf. Die meisten bewegen sich dabei allerdings in einer Grauzone: Denn die Öffnungszeiten sind streng reglementiert, am Sonntag muss, von ein paar Ausnahmen abgesehen, dem Gesetz zufolge geschlossen sein. Wer sich nicht daran hält, muss mit Strafen von mehr als 1000Euro rechnen. Dabei wäre gerade das ein gutes Geschäft, klagen kleine Händler.
Die „Presse am Sonntag“ hat sich umgesehen und stellt ein paar Greißler vor, die es schaffen, auch heute noch zu „überleben“ – manchmal auch mehr schlecht als recht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)