In den 1970er-Jahren wurden britische Grenzposten regelmäßig von irisch-republikanischen Kräften angegriffen.
Brexit

Die Grenze, an der es Europa zerreißt

Sie verläuft quer durch grüne Weiden und Siedlungen aus Steinhäusern. Die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland wurde zum Knackpunkt der Brexit-Verhandlungen, weil ihre neuerliche Kontrolle den fragilen Friedensprozess und die gemeinsame wirtschaftliche Basis der irischen Insel bedroht. Ein Lokalaugenschein.

Für Paul Gillmore hat sich das Land seiner Ahnen stark verändert. Wenn der in Singapur arbeitende Finanzexperte alljährlich seine Verwandten in Irland besucht, fährt er von seinen Eltern, die in der Republik leben, über die Grenze hinauf nach Nordirland zu seiner Tante. Die Gillmores sind Katholiken und wie viele Familien in beiden Teilen der Insel beheimatet. „Früher waren an der Grenze Stacheldraht, Wachposten, und jedes Auto wurde kontrolliert. Heute merke ich gar nicht, dass ich in ein anderes Land fahre. Nur das Handy piepst, weil das Netz wechselt“, sagt Gillmore.

Die Grenze, die 1920 − zwei Jahre vor der Gründung des Freistaates Irland, dem Vorgänger der späteren Republik − vom britischen Parlament festgeschrieben wurde, ist 500 Kilometer lang und umfasst sechs Grafschaften, die das Vereinigte Königreich nach der schrittweisen Unabhängigkeit der Republik Irland behielt. Während der blutigen Kämpfe zwischen republikanischen Katholiken und unionistischen Protestanten wurde sie zu einem der Angelpunkte der Auseinandersetzungen. Erst seit dem Karfreitagsabkommen 1998, das den Bürgerkrieg in Nordirland beendete, ist die Grenze wieder offen. Die Kombination aus Friedensvertrag und europäischem EU-Binnenmarkt, zu dem beide Länder bisher gehören, hat die Isolation des Nordens aufgelöst und ein Stück weit Emotionen aus den „Troubles“ genommen, die allein von 1969 bis 1998 gesamt 3400 Todesopfer gefordert haben. Seit mittlerweile 21 Jahren hält, mit wenigen Ausnahmen, ein fragiler Friede.

Doch wie lang noch? Wenn Großbritannien am 31. Oktober, so wie es Premierminister Boris Johnson riskiert, ohne Abkommen die EU verlässt, verläuft hier, zwischen beiden Teilen Irlands, nämlich die Außengrenze der Europäischen Union.

Die Wachtürme entlang der Grenze wurden nach dem Karfreitagsabkommen abgetragen.
Die Wachtürme entlang der Grenze wurden nach dem Karfreitagsabkommen abgetragen.(c) EPA (John Giles)

Reger Pendlerverkehr. Tausende Iren pendeln täglich zwischen beiden Teilen der Insel – um zu arbeiten, Familienangehörige und Freunde zu treffen oder Ärzte aufzusuchen. Zwar wollen sowohl die irische wie die britische Regierung Freizügigkeit und Reisefreiheit erhalten. Im Fall von Grenzkontrollen für Gütertransporte würde es aber zu Staus und Verzögerungen kommen. Eigene Spuren müssten für Pendler eingerichtet werden. Sollte kein Abkommen zwischen der EU und der britischen Regierung eine gangbare Alternative festschreiben, müssten Waren, die vom Hoheitsgebiet Großbritanniens aus in den EU-Binnenmarkt gebracht werden, hier verzollt und überprüft werden. Es gibt an der inneririschen Grenze aber rund 270 Straßen mit Grenzübergängen, und es ist kaum vorstellbar, dass es an ihnen allen wieder Kontrollen gibt.

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