Jank-Angriff auf Vassilakou

Brigitte Jank
Brigitte JankGEPA pictures
  • Drucken

Die Wirtschaftskammerchefin beklagt die schlechte Kommunikation mit der Stadt, fürchtet Einbußen für Betriebe. Wegen des Pickerls wollen Firmen Wien verlassen.

Die Presse: Vizebürgermeisterin Vassilakou hat heute die Pläne für den Umbau der neuen Mariahilfer Straße zu einer Teilfußgängerzone vorgelegt. Wie sieht die Wirtschaft diese Pläne?

Brigitte Jank: Zuerst muss gesagt werden, dass es schon ein Verhandlungsergebnis zwischen Stadt, Wirtschaft und Bezirken gab. Die Einigung sah vor, dass die Mariahilfer Straße als Einbahn geführt worden und dem Busverkehr, dem Radverkehr und dem Lieferverkehr vorbehalten gewesen wäre. Das hätte sowohl die gewünschte Verkehrsberuhigung gebracht und gleichzeitig die Bedürfnisse der Betriebe abgedeckt. Das wird mit dem neuen Modell jetzt konterkariert.

Das heißt, Sie wurden in das neue Modell gar nicht eingebunden?

Es ist schon befremdlich, wie diese Änderung zustandegekommen ist: Man negiert ein bereits ausverhandeltes Ergebnis und der Verhandlungspartner wird weder informiert noch eingebunden. Das entspricht nicht den bisherigen Gepflogenheiten zwischen der Wirtschaftskammer und der Stadt.

Wieweit sehen Sie jetzt konkret die neuen Pläne aus Sicht der Wirtschaft?

Wichtig ist vor allem die gute Erreichbarkeit der Geschäfte für Lieferanten, Firmenfahrzeuge und Kunden. Dazu müssen ausreichend Ladezonen da sein. Es geht auch darum, die in der Straße befindlichen Hotels zu erreichen. Sackgassenregelungen in den Nebenstraßen und fehlende Querungen werden das Verkehrsaufkommen massiv erhöhen.

Die Wirtschaft ist also nicht zufrieden mit den neuen Plänen.

Es wird negative Auswirkungen geben und sicher die dort ansässigen Betriebe beeinträchtigen, denn denen fehlt künftig der Platz, den die Zulieferer brauchen. Es wird aber auch die Wohnbevölkerung beeinträchtigt, weil die Verkehrsverlagerung extrem sein wird. Man wird erst über viele Umwege zu manchen Gegenden kommen und man produziert in den Seitengassen extrem viel Verkehr.

Der Zweck der Maßnahme ist aber, Verkehrsberuhigung zu schaffen.

Ja, man will Verkehrsberuhigung – insgesamt in der Stadt. Aber hier macht man genau das Gegenteil davon. Man schafft vielleicht in einer Straße eine Veränderung, aber man belastet andere dafür. Das kann ich mir nicht als faires Modell des Zusammenlebens zwischen Wirtschaft und Politik vorstellen.

Sie fordern, dass es für Lieferanten mehr und bessere Möglichkeiten der Zufahrt gibt. Aber in der Kärntner Straße funktioniert es auch.

Kärntner Straße und Graben sind ein anderes Thema. Dort herrscht eine andere Unternehmensstruktur. Man kann die Mariahilfer Straße als größte Einkaufsstraße Österreichs nicht mit der Kärntner Straße vergleichen, weil andere Gegebenheiten herrschen. Wir haben in den Seitengassen der Kärntner Straße keine betrieblichen Strukturen, sondern vorwiegend Handel und Gastronomie. Das ist im sechsten und siebten Bezirk anders.

Werden Kunden künftig in Einkaufszentren am Stadtrand abwandern?

Größere Einkäufe werden immer noch gerne mit dem Auto erledigt. Dabei ist die Zufahrt ein entscheidendes Kriterium. Darüber hinaus sind für Garagenbetreiber die Kurzzeitparker der größte Kundenstock.

Wie sieht es mit den Kosten aus?

Aus Sicht der Wirtschaft wäre eine sanfte Revitalisierung wesentlich effizienter und kostengünstiger als eine teure, stadtplanerisch fragwürdige Komplettumgestaltung.

Zuletzt noch zum Parkpickerl: Wie sieht die Wirtschaft in den betroffenen Bezirken die Ausweitung der Zonen?

Die Betroffenheit der Betriebe ist enorm hoch. Es ist so viel Unmut vorhanden, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. Manche Betriebe erwägen bereits, Wien den Rücken zuzukehren.

Was konkret trifft Betriebe so stark?

Viele Mitarbeiter fordern von den Betrieben ein Äquivalent durch Bereitstellung von Garagenplätzen, Übernahme der Mehrkosten für Parkgebühren oder einen Lohnausgleich für längere An- und Abfahrten. Ganz gleich ob sie hereinpendeln oder nur in einem anderen Bezirk wohnen: Der Blick auf leeren Parkraum, den sie nicht benützen können, frustriert.

Auf einen Blick

Die Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, Brigitte Jank, ist über Grünenchefin Vassilakou verärgert: Die neuen Pläne für die Fußgängerzone Mariahilfer Straße würden dortigen Wirtschaftsbetrieben schaden. Außerdem klagten viele Firmen über die neuen Parkpickerlzonen, so Jank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Mariahilfer Strasse wird schrittweise
Wien

Verkehr: Mariahilfer Straße wird schrittweise autofrei

Ab Sommer 2013 wird die Mariahilfer Straße verkehrsberuhigt: der Bereich zwischen Andreasgasse und Kirchengasse wird zur Fußgängerzone. Die Details sollen Bürgerbefragungen klären.
Kommentare

Grün-Provokation im Grün-Bezirk

Die Mariahilfer Straße soll verkehrsberuhigt und streckenweise überhaupt zur Fußgängerzone werden.
So oder so ähnlich könnte es ab dem Sommer 2014 auf der inneren Mariahilfer Straße aussehen.
Wien

Fix: Mariahilfer Straße wird für Autos großteils gesperrt

Ein großer Abschnitt wird verkehrsberuhigt. Rad- und Lieferverkehr soll weiterhin möglich sein. Auf den Ausweichrouten kommen 30er-Zonen.
Symbolbild
Wien

Mariahilfer Straße neu: Pläne fast fertig, Details unklar

Die Neugestaltung der Mariahilfer Straße wird konkret. Demnächst will die Stadt Wien ihre Pläne zur Neugestaltung der Einkaufsstraße bekannt geben. Offene Fragen gibt es dabei allerdings noch genug.
Kommentare

Vassilakous Visionen

Große Pläne, kleine Resultate.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.