AKH: Skandalvergabe kostet mehrere Millionen Euro

AKH Wien Skandalvergabe
AKH Wien Skandalvergabe (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Kündigung des Millionenvertrags verzögert sich. Und: An der Neuausschreibung wirkt eine der Korruption beschuldigte Beamtin mit.

Wien. „Die ordentliche Kündigung des Vertrags mit der Firma AGO über die Arbeitskräfteüberlassung für die Reinigungsarbeiten im AKH wird mit heutigem Tag ausgesprochen.“ Und: „Die Kündigung erfolgt per 1.11.2012 und wird per 31.12. 2013 wirksam.“ Die Sätze stehen in einer Presseaussendung des Wiener Krankenanstaltenverbunds vom 19.September 2011.

Eineinhalb Jahre später widersprechen sie der Realität. Recherchen ergaben, dass der unter fragwürdigen Umständen geschlossene Vertrag mit einem jährlichen Maximalvolumen in der Höhe von 51 Mio. Euro nicht wie angekündigt mit Ende 2013 ausläuft, sondern erst Mitte 2014. Frühestens. Bis dahin brummt das Geschäft für eine Firma, gegen deren Miteigentümer die Korruptionsstaatsanwaltschaft seit bald drei Jahren ermittelt. Ebenfalls beschuldigt: Vier (Ex-)Mitarbeiter des AKHs, die in die fragwürdige Auftragsvergabe verstrickt sein sollen. Der Verdacht: Amtsmissbrauch, Beteiligung am Amtsmissbrauch und Untreue.

„Bleiben bis 30.6.2014 im Haus“

Der „Presse“ liegt ein wenige Wochen altes Schreiben des Betriebsrats der Firma AGO an die Mitarbeiter vor, die derzeit um ihre Beschäftigung im größten Spital Österreichs fürchten. Darin heißt es: „Der Vertrag wurde noch nicht gekündigt.“ Und weiter: „Der nächste mögliche Termin für die Kündigung ist der 30.9.2013.“ Schlussendlich heißt es auch: „Sollte der Vertrag bis zum 30.9.2013 gekündigt werden, bleiben die Reinigungskräfte auf jeden Fall bis zum 30.6.2014 im Haus.“ Nun stellt sich die Frage: Entsprach die Aussendung des KAV vom 19.September 2011 („Kündigung mit heutigem Tag“) der Wahrheit?

Herwig Wetzlinger, stellvertretender Direktor des AKHs und als solcher für die Bereiche Wirtschaft, Technik und Finanzen zuständig, macht die Neuausschreibung der durch alle Medien gegangenen Skandalvergabe für die schiefe Optik verantwortlich. Diesen Vorgang hat das Spital an die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) abgegeben. Im Zuge der Informationsgespräche mit den BBG-Leuten habe man jedoch entdeckt, dass es sinnvoll sei, zusätzlich zu den Reinigungskräften auch Abteilungshelfer für das Pflegepersonal zu suchen. Die Erledigung der dafür nötigen Vorarbeiten habe die Angelegenheit allerdings um zwei Monate verzögert, so Wetzlinger.

Vertrag mit langen Schutzfristen

Als die Ausschreibungsbedingungen schließlich draußen waren, meldete sich Nochvertragspartner AGO zu Wort. Die Firma fühlte sich durch den Wortlaut benachteiligt und beeinspruchte die Ausschreibung beim Vergabekontrollsenat (VKS) der Stadt Wien. Erfolglos und erfolgreich zugleich. Auch wenn man vergangenen Donnerstag mit der Nichtigkeitsbeschwerde juristisch scheiterte: Praktisch gewann das Unternehmen dadurch wertvolle Zeit, weil so die Kündigung zu Ende des ersten Quartals nicht ausgesprochen werden konnte und die Kündigungsfrist neun Monate beträgt. Der laut Vertrag nächstmögliche Kündigungstermin: 30.September (siehe Schreiben des AGO-Betriebsrats). Der Verbleib der Firma im AKH ist damit bis zum 30. Juni 2014 sicher. Bei dem hohen Auftragsvolumen haben sich Verfahrenskosten vor dem VKS längst gerechnet.

AKH und KAV begleichen aufgrund der Verzögerungen folgende Beträge: 350 Reinigungskräfte von AGO. Entgelt laut Kollektivvertrag inklusive Lohnnebenkosten: ca. 741.000 Euro pro Monat. Laut Vertrag kalkulierte Gewinnspanne von AGO bei 350 Mitarbeitern. 202.650 Euro. Ebenfalls pro Monat. Dabei steht inzwischen selbst die Ausschreibung des Nachfolgeauftrags unter keinem guten Stern. Mitglied jener Steuergruppe im AKH, die der BBG die Vorgaben macht, ist eine ranghohe Beamtin aus dem Kreis jener Beschuldigten, gegen die die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Für den stellvertretenden AKH-Direktor Wetzlinger sieht das auf Anfrage schlimmer aus, als es ist: „Ja, P. sitzt – wie einige andere Führungskräfte auch – in dieser Gruppe. Mit dem Erstellen der Leistungsverzeichnisse hat sie jedoch nichts zu tun.“ Das erledigte eine der ihr weisungsgebundenen Abteilungsleiterinnen.

Soll AGO letztlich bleiben?

Andere, direkt in die Nachfolgeausschreibung involvierte Personen sehen das kritischer. Der offensichtliche Plan sei, so der Informant zur „Presse“, durch unnötige, aber exorbitant aufwendige Forderungen im Leistungsverzeichnis die Angebote der Firmen derart nach oben zu treiben, um später Argumente für einen Weiterverbleib von AGO im AKH zu haben. Ob die Vermutung stimmt oder nicht, wird sich Ende August zeigen. Bis dahin sollen laut Wetzlinger die Verhandlungen mit den besten Bietern abgeschlossen sein.

Auf einen Blick

Anklage? Seit bald drei Jahren ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft rund um die Vergabe eines Großauftrags zur Arbeitskräfteüberlassung (Maximalvolumen: 1050 Personen. Maximalkosten: 51 Mio. Euro jährlich). Beschuldigt sind vier AKH-Beamte und ein Gesellschafter der betroffenen Firma. Der Vertrag wurde laut Aussendung gekündigt. Tatsächlich ist das nicht geschehen. Die Staatsanwaltschaft befindet sich gemäß eigener Angaben kurz vor der Entscheidung, ob es zu einer Anklage kommt oder das Verfahren eingestellt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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