Baden: "Riesiges Freiluftseniorenheim"

Hans Ecker ist in Baden (hier neben der Pestsäule in der Innenstadt) geboren und aufgewachsen. Als Kulturführer betreut er Gäste aus aller Welt.
Hans Ecker ist in Baden (hier neben der Pestsäule in der Innenstadt) geboren und aufgewachsen. Als Kulturführer betreut er Gäste aus aller Welt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die einstige Kaiserstadt Baden haben nicht nur ältere Kurgäste für sich entdeckt, sondern auch wohlhabende Russen. Jüngere Menschen wandern hingegen ab.

Wien. Bäder, Beethoven, Biedermeier. Wer Baden, einst kaiserliche Residenzstadt und heute bekannter, inmitten von Weingärten und Wäldern gelegener Kurort mit prunkvollen Bauten und großen Parks, kennenlernen will, kommt um diese drei B nicht herum. Und um Hans Ecker, dessen Familie seit Generationen in Baden lebt. Als Kulturführer gehört der 63-Jährige praktisch zum Inventar der Stadt. Man kennt ihn, man schätzt ihn – und man hört ihm gern zu, denn kaum einer kann mehr Geschichten und Anekdoten über Baden erzählen als er.

Über den deutschen Komponisten Ludwig van Beethoven beispielsweise, von dem mindestens 13 Sommeraufenthalte in Baden dokumentiert sind – in insgesamt sieben Wohnstätten. Die bekannteste ist das Beethoven-Haus, in dem auch Teile der 9. Sinfonie entstanden sind (daher auch der Name „Haus der Neunten“). „Er war kein einfacher Mensch. Einen normalen Rhythmus kannte er nicht, komponierte oft bis tief in die Nacht hinein und trieb seine Nachbarn in den Wahnsinn“, sagt Ecker. „Und wenn ihm das Notenpapier ausging, kam es schon einmal vor, dass er Fensterläden und Jalousien bekritzelte.“ Und genau dabei habe ihn eines Tages jemand aus einer gegenüberliegenden Wohnung beobachtet und den Hausbesitzer nach Beethovens Auszug gefragt, ob er die Jalousien kaufen könne – sozusagen als Souvenir. „Dieser nutzte die Gunst der Stunde und verkaufte ihm die Jalousien zu einem sündteuren Preis“, so Ecker. „Und als Beethoven im nächsten Sommer wieder einziehen wollte, forderte er von ihm neue Jalousien. Er sagte ihm noch, dass er sie ohne Weiteres wieder bekritzeln könne, um sie später erneut als Souvenir verkaufen zu können.“ Wer diese Geschichte für einen Mythos hält, kann sich in London von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugen – dort liegen in einem kleinen Museum tatsächlich Jalousien mit Beethoven-Kompositionen auf.

14 natürliche Schwefelquellen

Natürlich hat Baden mehr zu bieten als Erinnerungen an Beethoven und die Biedermeier-Architektur, die das Stadtbild prägt. In erster Linie die 14 Schwefelquellen, die jedes Jahr hunderttausende Kurgäste anlocken und schon von den Alten Römern (bereits 70 n. Ch.) als Bäder genutzt wurden. Die älteste Schwefelquelle befindet sich in einem Stollen unter dem Casino. Wegen seines trockenen, pannonischen Klimas gilt Baden auch als wichtiger Luftkurort (etwa für Asthmakranke). Operetten dominieren das Theaterleben. Im Winter finden die Aufführungen im Stadttheater statt, im Sommer in der Sommerarena – die mit einem verschiebbaren Glasdach ausgestattet ist.

Touristen, die bleiben

25.000 Einwohner hat Baden, diese Zahl blieb in den vergangenen Jahren trotz negativer Geburtenrate (minus vier Prozent) durch die positive Wanderungsbilanz (plus neun Prozent) konstant bzw. stieg nur minimal an. Die Zahl der mehr als 60-Jährigen ist um ein Viertel höher als österreichweit. „Ja, hier leben zumeist ältere Menschen“, bekennt Ecker. Die jüngeren könnten sich Baden wegen der hohen Wohnungspreise nicht leisten und würden ins Umland oder gleich nach Wien ziehen. „Aber“, so Ecker, „mit 50 oder 60 kommen sie alle zurück. Die Lebensqualität hier ist einfach einzigartig.“ Es gebe nichts, was es nicht gibt. Nicht zuletzt gute Ärzte, die im Alter besonders wichtig seien. Ecker: „Man sollte es nicht sagen, aber Baden kann man durchaus als riesiges Freiluftseniorenheim bezeichnen.“

Der Zuzug nach Baden erfolgt im Übrigen nicht nur aus Wien und anderen österreichischen Städten – auch betuchte Russen haben die Vorzüge der idyllischen Thermenstadt für sich entdeckt. Und sind in der Bevölkerung höchst willkommen. „Es ist großartig. Sie kaufen alte Villen und richten sie zusammen mit den Parkanlagen in der Umgebung her“, meint Ecker. „Und es werden immer mehr, die hier nicht nur Urlaub machen, sondern sich auch ansiedeln.“ Man könne fast von einer „Rückkehr der Russen“ sprechen. Baden sei immerhin das Hauptquartier der sowjetischen Besatzungszone gewesen.

Auf einen Blick

Stadt der Alten. Baden, einst kaiserliche Residenzstadt und heute bekannter Kurort mit prunkvollen Bauten und großen Parks, hat 25.000 Einwohner. Hinzu kommen 5000 Zweitwohnsitze. Zumeist leben in dem Kurort ältere Menschen, die jüngeren ziehen wegen zu hoher Wohnungspreise ins Umland oder nach Wien. Seit einigen Jahren siedeln sich immer mehr reiche Russen in Baden an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2013)

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