Ob Katar, Sotschi oder Minsk: Sportevents in Autokratien provozieren stets eine Diskussion: Soll man die Veranstaltungen boykottieren oder als Bühne für Proteste nutzen?
Die Diskussion existiert fast so lange, seit es Olympische Spiele gibt: Boykott oder Bühne? Internationale Gäste dürften repressive Regimes nicht durch Anwesenheit und Applaus legitimieren, sagen die einen. Die anderen wollen gerade durch Anwesenheit Druck ausüben: die Spiele als Bühne nutzen.
Für beide Haltungen gibt es gute Argumente. Boykott ist eine starke Ansage und äußerst unangenehm für Despoten, die international um Anerkennung buhlen. Aktivisten in den betroffenen Ländern sprechen sich aber häufig dagegen aus. Ob man eine Großveranstaltung wirklich als Bühne der Kritik an Menschenrechtsverstößen nutzen kann, hängt allerdings von der Stärke der Zivilgesellschaft vor Ort ab – und davon, ob ein Regime überhaupt eine solche Arena zulässt.
Kritische Fragen müssen sich das Olympische Komitee, die Fifa und andere Veranstalter gefallen lassen. Sich auf den „apolitischen Sport“ zu berufen, ist kurzsichtig und naiv. Bei der Vergabe müssten politische Faktoren stärker berücksichtigt werden. Sieht man sich allerdings die Gewinner der Sportevents der nächsten Jahre an, so verschließen die Entscheidungsträger offenbar weiterhin die Augen: 2015 soll die erste Ausgabe der European Games – Olympische Spiele im Europa-Format – im autokratisch regierten Aserbaidschan stattfinden, 2018 ist Russland Austragungsort der Fußball-WM, 2022 Katar. Für Debatten ist also gesorgt. som
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)