Ein Festmahl für einen Asketen

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Der Bischof Martin von Tours war eigentlich ein bescheidener Mann.

Dass ausgerechnet am Festtag des heiligen Martin ein opulenter Gänsebraten und reichlich Wein gereicht wird, mutet eigentlich ein bisschen seltsam an. Immerhin war Martin von Tours (316/317–397), auf den der Brauch zurückgeht, ein asketisch lebender Mensch. Das machen schon die zahlreichen Erklärungen deutlich, die den Ursprung der Martinigans zu erklären versuchen.

Eine davon besagt nämlich, dass der heilige Martin, den das Volk zum Bischof weihen lassen wollte, so bescheiden war, dass er sich der Weihe nicht würdig sah und sich in einem Gänsestall versteckte. Das Geschnatter der Gänse hat ihn aber verraten, und er wurde zum dritten Bischof von Tours geweiht. Eine andere Legende besagt, dass er als bescheiden lebender Mönch manchmal so aussah, als lebe er in einem Gänsestall.

Eine andere Variante wiederum sieht den Brauch im jahreszeitlichen Rhythmus begründet. Martini am 11.November galt im Mittelalter als Abschluss der herbstlichen Erntearbeit, dem der Advent als Fastenzeit folgte. Der Tag barg also noch eine Möglichkeit, opulent zu essen.


Zahltag der Bauern. Hinzu kam, dass mit dem Ende der Erntezeit auch der Tag der Bezahlung für Arbeiter war, die eben oft in Naturalien ausfiel. Mangels Konservierungsmöglichkeiten wurden diese lieber gleich gegessen.

Die Tradition, rund um den 11. November eine Gans zu essen, ist zwischenzeitlich ein bisschen in Vergessenheit geraten. Erst seit ein paar Jahrzehnten ist die Gans wieder fixer Bestandteil im kulinarischen Kalender. Brauchtumsforscherin Helga Mria Wolf hat dazu auch eine Anekdote parat. So haben im Jahr 1982 Vertreter der Landesgruppe Burgenland des Bundes der Österreichischen Gastlichkeit dem damaligen Minister Herbert Salcher einen Geburtstagsbesuch abgestattet und ihm eine Gans geschenkt. Salcher versprach, diese nicht zu rupfen. „Solange ich Finanzminister bin, verhungert in Österreich nicht einmal eine Gans“, zitierte ihn damals „Die Presse“.

Bei Kindern ist der heilige Martin vor allem wegen des Laternenfests und der Geschichte, als er als Soldat seinen Mantel mit einem Bettler teilte, bekannt. Der 11. November ist übrigens der Tag seiner Grablegung. Der Laternenumzug erinnert an damalige Lichterprozessionen. Und: Martin ist der Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlands und gilt als Schutzheiliger der Armen, Reisenden, Bettler und Winzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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