Morgenglosse

Karin Kneissls Russophilie ist mehr als nur peinlich

Ex-Außenministerin Karin Kneissl bei einem Interview in Wladiwostok.
Ex-Außenministerin Karin Kneissl bei einem Interview in Wladiwostok.Imago / Valery Sharifulin
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Österreichs frühere Außenministerin Karin Kneissl ist nach St. Petersburg umgezogen. Neuerdings schwärmt sie viel von der russischen Kultur. Eine Verklärung, die die Kultur der Gewalt nicht sehen will.

Auf ihrer zweiten Moskau-Visite als österreichische Außenministerin, im Jahr 2019, legte sich Karin Kneissl die russische Kultur über die Schultern. Bei ihrem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow trug sie ein traditionelles russisches Wolltuch mit Blumenmotiv. Das Fabrikat sollte wohl Dialogbereitschaft signalisieren.

Was man damals noch als ungeschickten Versuch modischer Diplomatie abtun konnte, hat sich seither verschärft. Die frühere Diplomatin wird nach Russland übersiedeln, wo sie die Leitung eines staatsnahen Think Tanks übernimmt. In öffentlichen Auftritten gibt Kneissl die Positionen des Kreml wieder.

Und nicht nur das.

Wo immer sie auftritt, singt Kneissl nun ein Loblied auf die russische Kultur. Sie preist das russische Landleben für seine Einfachheit und postet Videos von watschelnden Gänsen. Sie äußert sich mit der Ehrfurcht einer Oberstufenschülerin über die russischen Klassiker, die sie gern im Original lesen wolle. Sie gibt Interviews in russischer Sprache, obwohl sie diese nur radebrechend beherrscht.

All das wirkt ein bisschen so, als habe Russland Kneissls Kopf verdreht. Will Kneissl russischer als die Russen werden?

Was man von ihr hören kann, ist allerdings eine alte Leier: Es ist eine Romantisierung und naive Verklärung der russischen Kultur, wie sie unter westlichen Besuchern und Beobachtern durchaus Tradition hat. Russland erscheint in dieser (zutiefst paternalistischen) Idealisierung als das Authentische und das Urtümliche, als etwas Besseres als der verkommene Westen, das Land mit der ach-so-unergründlichen Seele.

Doch diese kulturelle Anbiederung schweigt über die schrecklichen russischen Realitäten von heute. Wenn die vom Kreml gestützte Kneissl von Dostojewskij schwärmt, dann sollte sie sich erinnern, dass auch er vom russischen Staat mehrere Jahre lang in die Verbannung geschickt wurde. Seine „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ geben darüber Auskunft, welche Gewalt in den Straflagern des russischen Imperiums herrschte.

Die Methoden haben sich nicht geändert. Gewalt, Verfolgung und Mord sind heute erneut die Kultur der russischen Gegenwart, in der Ukraine und im Land selbst. Wer das nicht sehen will, der hat von Russland überhaupt nichts verstanden.

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