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Politischer Einfluss auf ORF: Regierung sieht Stiftungsrat zur Selbstreinigung verpflichtet

Im Bild vor den Richtern: Matthias Traimer (Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, l.) und Florian Philapitsch (Stabsabteilung Verfassung und Recht Land Burgenland, r.).
Im Bild vor den Richtern: Matthias Traimer (Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, l.) und Florian Philapitsch (Stabsabteilung Verfassung und Recht Land Burgenland, r.).APA / Helmut Fohringer
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Die heutige Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs war gut besucht, etwa auch von Armin Wolf. Verhandelt wurde die in der Verfassung vorgesehene Unabhängigkeit des ORF. Die Chancen auf eine Änderung stehen wohl gar nicht so schlecht.

Reges Interesse am Dienstagvormittag bei einer Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs. Kein Wunder, schließlich ging es dem Höchstgericht heute um den politischen Einfluss auf den ORF. Als Zuschauer waren also ebenso Politiker (etwa die Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger) wie auch bekannte Gesichter aus dem ORF (etwa Armin Wolf und Dieter Bornemann) gekommen.

Am Prüfstand stand die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit des ORF, wobei konkret die Burgenländische Landesregierung die Zusammensetzung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat beanstandete. Der Einfluss vor allem der Bundesregierung bei der Bestellung der Mitglieder stehe im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit, wie der Vertreter des Burgenlandes, Florian Philapitsch, argumentierte. Neben ihm hatten auch zwei Regierungsvertreter Zeit, sich zu erklären – bevor die Richter des VfGH viele Fragen stellten, die das System Stiftungsrat und vor allem auch die Freundeskreise der Parteien thematisierten.

Philapitsch brachte an Kritik vor, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Stiftungsrats von der Regierung bestellt werde und es dafür weder ein öffentliches Auswahl- oder Besetzungsverfahren gebe. Noch die Möglichkeit, Besetzungen zu kontrollieren. Auch würden Regelungen fehlen, die die Unabhängigkeit und Qualifikation der Mitglieder ausreichend sicherstellen. Und es werde im Stiftungsrat offen statt geheim abgestimmt.

Darf Gesetzgeber darauf vertrauen, dass Stiftungsräte unabhängig handeln?

Die Verfassungsrichter hatten viele Fragen. Zuerst allgemeiner Natur, etwa wie sich die Repräsentation der Zivilgesellschaft in einem Kollegialorgan sicherstellen lasse. Und später durchaus spezifische zu den politischen „Freundeskreisen“. Etwa wie es sein könne, dass Leiter mancher „Freundeskreise“ noch vor einer Entscheidung im Stiftungsrat ihre Meinung in Medien kundtun. Und auch, wie es erklärbar sei, dass das Stimmverhalten bei der Wahl zum ORF-Chef im Vorfeld bereits ziemlich exakt von Medien berichtet wurde.

Wie ordnet die Bundesregierung das Verhalten der Stiftungsräte hier ein? Das wollte ein Verfassungsrichter etwa von Michael Kogler wissen, der die Regierung vertrat. Kogler, ein Experte vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, ging allerdings nicht auf die Frage ein. Als Vertreter der Bundesregierung habe man „nicht das Pouvoir, eine Bewertung des Verhaltens der Stiftungsräte“ abzugeben. Das wäre „gegen unsere Intention“.

Er argumentierte vielmehr damit, dass der Gesetzgeber darauf vertrauen dürfe, dass Stiftungsräte unabhängig handeln. Der Gesetzgeber habe den Rahmen vorgegeben, der die Unabhängigkeit der Räte ermögliche. Stiftungsräte müssten zudem selbst erkennen, ob sie qualifiziert seien - und sich, falls dem nicht so wäre, aus dem Rennen nehmen. Also etwa wenn sie nicht in der Lage seien, eine Bilanz zu lesen. Das wäre in ihrem eigenen Interesse, weil sie persönlich haften. Der Gesetzgeber habe einen „Rahmen zur Selbstorganisation“ geschaffen. Einen „adäquaten Rahmen“, wie der Regierungsvertreter sagte.

Die Aufgabe der Stiftungsräte wurde analog zur Tätigkeit von Aufsichtsräten erklärt. Die Verfassungsrichter interessierte denn auch, warum die Tätigkeit bei den hohen Anforderungen ein Ehrenamt sei. Kogler erklärte dies damit, dass somit ausgeschlossen sei, dass Stiftungsräte die Tätigkeit womöglich aus finanziellen Überlegungen ausüben. Er meinte aber, es könnte künftig schon eine „funktionsadäquate Entlohnung“ stattfinden.

Zu den parteipolitischen „Freundeskreisen“ im Stiftungsrat gab es mehrere Fragen. Kogler verneinte, dass es gesetzlich vorgesehen sei, dass „Freundeskreise“ existieren. Es erleichtere aber die Beschlussfassung im Gremium.

Chancen auf eine Änderung im System

Wenn man die Zahl der Nachfragen der Verfassungsrichter, die in dieselbe Richtung gingen, als Indiz auf einen Ausgang der Sache deuten darf, stehen die Chancen wohl nicht allzu schlecht dafür, dass das Urteil Änderungen im System Stiftungs- und Publikumsrat fordern wird. So wurde etwa dem Thema, wie viele Stimmen genau der Regierung zuzuordnen seien und zu welchem Zweck sich die Freundeskreise organisieren, einiges Gewicht gegeben.

Die an die öffentliche Verhandlung anschließende Beratung der Verfassungsrichterinnen und -richter ist nicht öffentlich. Wann über den Fall entscheiden wird, ist offen.

Die ORF-Gremien

Der ORF-Stiftungsrat ist das oberste Aufsichtsgremium des ORF und hat 35 weisungsfreie, ehrenamtliche Mitglieder. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert. Seit längerem verfügt die ÖVP mit von ihr entsendeten und türkis-nahen Räten über eine Mehrheit. Aufgabe der Stiftungsräte ist unter anderem, alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag höchstens vier Direktoren und neun Landesdirektoren zu bestellen.

Im Falle des Publikumsrats bestimmt das Bundeskanzleramt 17 Personen aus 14 Vertretungsbereichen auf Basis von Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen. Insgesamt sind 30 Personen in dem Gremium vertreten. Die weiteren 13 Mitglieder werden direkt bestellt - etwa von diversen Kammern oder auch der römisch-katholischen Kirche. Der Publikumsrat erstattet etwa Empfehlungen für die ORF-Programmgestaltung und entsendet sechs Mitglieder in den ORF-Stiftungsrat.

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