„Das Kraus“ im Zweiten wird weiterhin exzellent bekocht, vom ehemaligen Souschef des Mochi.
„Ein Restaurant ist ja kein „Schnellzug“, um ein Gedicht von Karl Kraus zu zitieren, nach dem dieser seltsame Hybrid aus Café, Kunstraum, Polstermöbeln (eine ganze Wand!) und Haubenrestaurant immerhin benannt wurde, von den zwei hierzulande nicht unbekannten Geschäftsleuten Alexander Zach und Zoltán Aczél. Im Fall vom Kraus muss man den Schnellzug-Vergleich allerdings bejahend verneinen. Binnen der zwei Jahre seiner Existenz hat das Lokal schließlich ein ziemliches Tempo mit ziemlich zeitintensiver Küche vorgelegt. Johannes Schartner konnte hier mit seinem Fermentierfaible in einem halben Jahr drei Hauben erreichen, fast beängstigend. Und flugs war er wieder weg. Und schon ist Daniel Horner da.
Weit sei er nicht gekommen, erzählt der junge Koch, der eigentlich Elektriker gelernt hat, zuletzt aber nur wenige Hundert Meter weiter im Mochi als Souschef werkte. Die Liebe zur Fitzelei und einer asiatischen Schlichtheit könnte man aus diesem Werdegang ableiten, muss man aber nicht. Man kann auch einfach nur staunen, während sich vor einem unglaubliche 13 feinziselierte Gänge, ein paar Überraschungen zwischendurch nicht eingerechnet, auffächern. Vor allem Fisch und Pasta wird man nicht mehr vergessen — die geflammte Forelle mit Paradeisersud, Krustentieröl und Salzgurkenwürfelchen ist eine aromatische Orgie. Besänftigt nur von der Erinnerung an die Cavatelli, die in sämigstem Cashewschaum und Knusperbrösel ruhen, beschneit von geriebenem, getrocknetem, in Soja gebeiztem Dotter. Ein wärmenderes Haubenmahl ist gar nicht vorstellbar.
Schon das Glas Paradeisersalat gleich zu Beginn, mit zartesten Sake-Eiskrusten bestreut, gab diese Fusionsrichtung voll Charme und Finesse vor, und was will man eigentlich mehr von einem langen Abend, an dem man sich einem vorgegebenen Menü (109 Euro) völlig hingeben muss. Sagen wir: darf. Das Kernöl im Paradeiserglas, und das ist vielleicht einen Hauch symptomatisch hier, ist die Spur zu deftig. Das erlebt man später noch einmal mit dem feuergerösteten Grünkohl, der die Eierschwammerl darunter geschmacklich schlicht killt. Aber damit hat man sein in einem Kraus fast abgezwungenes Soll an Kritik auch schon erfüllt, zumindest am Essen. Von Ambiente und Geräuschkulisse her möchte man am liebsten nur eins — mit Tisch, Koch und Sommelière Kira Huber in den kargen, stillen Galerieraum der Kahane Art Foundation nebenan auswandern.
Info
Das Kraus, Große Pfarrgasse 7, 1020 Wien, Tel.: +43/(0)1/890 34 11, Restaurant: Mi–Sa: 18–24 Uhr (letzte Menüannahme: 19.30 Uhr). Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken