Eine Café-Engländer-Dependance am Praterstern? Mutig! Die Location ist aber tatsächlich bestechend.
Ein Herz für Vegetarier hat Christian Wukonigg eher nicht. Das kennt man zwar schon aus dem Café Engländer in der Postgasse: Wer kein Fleisch isst, hat hier die Auswahl aus einer Handvoll Gerichten. In der neuen Engländer-Location am Praterstern schaut man aber vielleicht ein bisschen genauer hin: Immerhin war hier vorher das vegetarische Pure. Wobei: Erfolgskonzept war das eh keines. Könnte neben dem fehlenden Fleisch freilich auch der Lage geschuldet gewesen sein. Das Praterstern-Brennpunkt-Image mit Crime, Lärm, Drogen, Dreck kriegt man halt nicht so schnell aus den Köpfen der Menschen, da kann man noch so viele Wasserspiele, Pratoide und Pergolen aufstellen. Wie auch immer.
Dass Wukonigg – der jahrelang schwor, sicher kein zweites Engländer aufzusperren – die Location gereizt hat, kann man trotzdem gut nachvollziehen. Denn die Architektur des Gebäudes, das außer den wohl wenigen Pure-Gästen hoffentlich keiner von innen kennt — vorher war hier bekanntlich die Polizeistation —, ist wirklich besonders: fünf sternförmig angeordnete Kuben, in der Mitte die runde Bar: Auch wenn es immer wieder rumpelt, wenn die Bim vorbeifährt und man durch die Glasfronten vor allem auf Verkehr ohne Ende schaut, ist das hier fast ein Ruhepol. Inwiefern der neue Standort eine logische Weiterführung des Engländer ist — wie der Chef sagt —, ist nicht ganz klar. Was die Karte angeht, ist er jedenfalls eine Kopie. Es gibt hier alles, was man im Engländer isst und liebt, vom Tatar (14,90 Euro) über den Backhendlsalat (15,40, allerdings ohne Radieschen, Skandal!) bis zu den Powidltascherln (8,20, warum es dazu Zwetschkenröster gibt, erschließt sich allerdings nicht). Das mit Kernöl marinierte, feinst aufgeschnittene Rindfleisch (11,80) ist herrlich, dasselbe gilt für Sauce und Linsen zum Wels (22,90). Das etwas gar paprikalastige Eierschwammerlgulasch (16,80) ist eine der wenigen vegetarischen Speisen, exklusive Suppen und Desserts zählt man fünf von 24, darunter Kasnudeln oder Ziegenkäsetarte: ein bisschen oldschool.
Preislich entspricht alles dem Stammhaus, ist also doch etwas gehobener, das Mittagsmenü um 14,90 – an diesem Tag etwa Hühnerkeule mit Risipisi oder Eierschwammerlravioli, davor Suppe, danach Grießflammerie – ist dagegen wohlfeil, das könnten die Menschen aus den umliegenden Büros zu schätzen wissen. Abends ist das Lokal ein paar Tage nach der Eröffnung noch sehr spärlich besetzt, irgendwann steht an der Bar aber tatsächlich ein halbes Dutzend Menschen, inklusive Gesichtern aus dem Kulturbetrieb. Möge die Übung gelingen!
Info
Café Engländer, Praterstern 9, 1020 Wien, Tel.: +43/(0)1/212 96 54, Restaurant:
Mo–So: 11.30–22 Uhr. Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken