Einen Steinwurf vom Gürtel öffnen die Kommod-Betreiber mit dem Café Azzurro eine Dependance: Sehr feine Sache.
Die Gegend ist ja nicht gerade einladend: Wir sind zwar offiziell in Neubau, allerdings ist der Gürtel nur einen Steinwurf entfernt, rundum ein abgerockter Park, ein Waschsalon, eine Autovermietung. Trotzdem ist das Café Azzurro an diesem Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Nicht ohne Grund: Dahinter stehen Stephan und Christina Stahl, die sich mit ihrem winzigen Kommod in der Strozzigasse in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht haben, Stichwort unverspanntes Fine Dining.
Das Azzurro ist die noch mal legerere Variante davon, in einer ehemaligen Pizzeria, deren Namen man gleich behalten hat. Der Schriftzug ist allerdings nun pink, die einstmals kitschblaue Vertäfelung weiß, die Wände sind bobomäßig roh, die wunderschöne Gewölbedecke ist freigelegt. Angelehnt ist es an das Konzept der Neo-Bistros in Paris, also: gute Produkte, feine Weine, lockere Atmosphäre. Und das klappt auch wenige Tage nach der Eröffnung schon ziemlich gut. Die Karte ist klein, es gibt ein bisschen Fisch, ein bisschen Fleisch und ein bisschen mehr Gemüse, in den Abend starten kann man hier gleich mit einem Kommod-Klassiker: der jiddischen Hühnerleber, einer mollig-süßen Cremigkeit, dazu Butter mit geräuchertem Schottkas: wow! (7 Euro).
Das Prager Tatar, händisch gehackt und sehr pur gehalten (14,50 Euro), hat so gut wie jeder am Tisch, wir entscheiden uns für den Lustigen Löwenzahn, eine süß-saure Geschichte mit Puntarelle, geschmorten Schalotten und Kapern, ein arger, aber köstlicher Kontrast zur süßen Leber (11 Euro). Die perfekt gegarte Lachsforellenschnitte bettet man hier auf zitronige weiße Bohnen, super Kombination (27 Euro), das Rahmherz enthält zwar sehr wenig Rahm, dafür viel Herz: Sollte es öfter geben! (18 Euro).
Beim Anrichten wird hier nicht lang gefackelt, alles in allem ist das feinstes Wohlfühlessen, ohne sich dann beschwert zu fühlen, Nachtisch geht sich also auch noch aus: Der Schokotraum (9 Euro) ist ein bisschen zu simpel, ein sehr schokoladiger Schokokuchen halt. Labneh mit dem alpinen Molkekaramell Sig und Khaki ist dagegen spitze, die gallertige Konsistenz von Khaki muss man mögen, hier: ja (9 Euro). Dass das Service noch ein bissl holpert: geschenkt. Gastgeberin Mara Feißt – die im Kommod Christina Stahl während ihrer Karenz vertreten hat – macht das mit ihrer charmant-bodenständigen Art absolut wett, alles andere wird sich bestimmt noch einspielen.
Info
Café Azzurro, Urban-Loritz-Platz 5, 1070 Wien, Restaurant: Mo–Fr: 17–23.30 Uhr, cafe-azzurro.at Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken