Ende der Eiszeit

Erst ÖVP, jetzt auch Grüne: Michael Ludwigs Charmeoffensive

Michael Ludwig geht auf die Opposition zu.
Michael Ludwig geht auf die Opposition zu. Clemens Fabry
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Bürgermeister Ludwig ging überraschend auf die ÖVP zu. Nun werden sogar Brücken in Richtung der Grünen gebaut. Ein Grund: Die Wien-Wahl 2025 erscheint langsam am Horizont.

Es war eine politische Sensation. Während des Sondergemeinderats über das taumelnde Wiener Gesundheitssystem vor wenigen Tagen stimmte die SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig einem ÖVP-Antrag zu und verschaffte ihm damit die Mehrheit. Und es war nicht nur ein belangloser türkiser Antrag – mit der Annahme wurde SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zu Handlungen in seinem Ressort verpflichtet. Das hat es seit langen Jahren nicht mehr gegeben – „Die Presse“ berichtete.

Überraschendes Friedensangebot

Damit gilt die Eiszeit zwischen Ludwig und der türkisen Oppositionspartei als beendet. Zumindest derzeit. Der Vorstoß Ludwigs kam überraschend. Denn es war einiges vorgefallen zwischen Rot und Türkis. Beispielsweise der Untersuchungsausschuss zur Wien-Energie-Affäre, mit dem die Stadt-ÖVP die regierende SPÖ unter Druck gesetzt hatte. Davor hatte der türkise Finanzminister Magnus Brunner die SPÖ in ein öffentliches Desaster schlittern lassen, indem er die massiven Finanzprobleme des städtischen Energieversorgers im Rahmen der Verhandlungen mit der Stadt öffentlich gemacht hatte. Und unter dem einstigen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und seinem Finanzminister, dem damaligen ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel, waren erbittert geführte rot-türkise Auseinandersetzung an der Tagesordnung. Was zu einem völligen Zerwürfnis mit der ÖVP geführt hatte; und zu einem besonderen mit der ÖVP Wien unter Gernot Blümel.

Nun haben sich Ludwig und die (noch) größte Oppositionspartei angenähert – womit die Wiener ÖVP erstmals seit Jahren wieder im Spiel als roter Juniorpartner bei der nächsten Regierungsbildung (Wien-Wahl 2025, Anm.) ist.

„Schon unüblich“

Ludwig ist derzeit sehr umtriebig. So ist der Bürgermeister dabei, nun auch Brücken zu den Wiener Grünen zu bauen, wie in roten Kreisen zu hören ist. Offiziell wird das nicht kommentiert, auch über die Art und Weise, wie Ludwig auf die Wiener Grünen zugehen wird, wird (noch) geschwiegen. Aber es gilt (in abgemilderter Form) für die Grünen das Gleiche wie für die ÖVP. Nach der Wien-Wahl 2020 warf Ludwig die Grünen aus der Koalition und entschied sich für die Neos. Seit damals herrschte Eiszeit zwischen SPÖ und Grünen. Vor allem die Jungen Grünen im Gemeinderat attackierten die SPÖ derart scharf, dass es massiven Unmut in roten Kreisen gab. Die Grünen versuchten insgesamt, die Bürgermeisterpartei vor sich herzutreiben. Beispielsweise durch heftige öffentliche Kritik an Mieterhöhungen im Gemeindebau – ein Thema, das die SPÖ empfindlich traf.

Rund zwei Jahre vor der nächsten Wien-Wahl werden auch hier Brücken gebaut. Erst vor wenigen Tagen gab es eine ähnliche Überraschung wie bei der roten Zustimmung zu dem türkisen Antrag, nur mit vertauschten Rollen: Die Grünen stimmten als einzige Oppositionspartei der roten Novelle zur Wiener Bauordnung zu. Wobei es hier nicht nur eine kurze Zustimmung bei der Abstimmung war: Die Grünen haben die Novelle seit rund einem Jahr mit SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál diskutiert und mitentwickelt. Die SPÖ habe sogar Verbesserungsvorschläge der Grünen in die Novelle aufgenommen, erklärt Parteichef Peter Kraus der „Presse“: „Das ist schon unüblich, dass die SPÖ auf uns zugeht und das macht.“ Nachsatz: „Vor allem, dass unser Vorschlag eins zu eins so drinnen steht.“

Wien-Wahl 2025 am Horizont

Warum die Charmeoffensive von Ludwig? In Oppositionskreisen wird davon gesprochen, es sei das Naturell des Bürgermeisters, zumindest eine funktionierende konstruktive Gesprächsebene mit der Opposition zu haben. Nicht umsonst betont Ludwig laufend sein politisches Credo: „Durchs Reden kommen die Leut‘ zusammen.“

Das betrifft allerdings nicht die Freiheitlichen. Dorthin werde es keine Brücken und kein Entgegenkommen geben, ist in roten Kreisen zu hören. Mit den Freiheitlichen und deren Politik der Spaltung könne man einfach nicht, wie es ein Genosse formuliert. Hier wird jegliche Kooperation entschieden abgelehnt.

Es dürfte aber nicht nur Ludwigs Naturell sein, mit der er wieder eine Gesprächsbasis zu Türkis und Grün sucht. Denn die Wien-Wahl 2025 zeichnet sich bereits am Horizont ab. Und hier braucht der Bürgermeister eine gute Gesprächsbasis zu Türkis und Grün, um sich mehrere Koalitionsoptionen offenzuhalten. Einerseits, weil die Neos bei zwei weiteren roten Regierungsoptionen den Preis bei Koalitionsverhandlungen nicht in die Höhe treiben können. Andererseits ist derzeit offen, ob Rot-Pink bei der nächsten Wahl überhaupt noch eine Mehrheit besitzt.

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