Leitartikel

Wie umgehen mit Herbert Kickl?

Herbert Kickl am Politischen Aschermittwoch in Ried im Innkreis.
Herbert Kickl am Politischen Aschermittwoch in Ried im Innkreis. Max Slovencik / picturedesk.com
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Sebastian Kurz untergräbt die Karl-Nehammer-Linie so wie Hans Peter Doskozil jene der Löwelstraße. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht.

Es ist eine bemerkenswerte Aussage des Ex-Parteichefs. Die ÖVP baut ihren Wahlkampf ganz auf dem Duell gegen Herbert Kickl auf. Die Mitte-rechts-Partei ÖVP framed den FPÖ-Chef sogar als „rechtsextrem“. Und dann kommt Sebastian Kurz daher und erklärt in der „Kronen Zeitung“: „Wenn Kickl Kanzler wird, ist das Demokratie.“ Und weiter: „Wenn einem das Wahlergebnis gefällt, ist es Demokratie und wenn nicht, ist es Populismus.“ Auf die Frage, ob Kickl „rechtsextrem“ sei, meint Kurz: Von ihm werde es keine Zuschreibungen geben. Ähnlich ist das in der SPÖ: Da unterläuft unter anderem Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die Anti-FPÖ-Linie der Löwelstraße.

Wie also umgehen mit Herbert Kickl? Seine Aschermittwochsrede war jedenfalls im Rahmen. Im Rahmen einer Aschermittwochsrede, insbesondere im Rahmen einer Aschermittwochsrede eines FPÖ-Vorsitzenden. Also nur teilweise unter der Gürtellinie. Der Rest war Ballyhoo, großteils erwartbar, manches durchaus pointiert, anderes seicht, mit einer gewissen Obsession für Wolodymyr Selenskij und Karoline Edtstadler.

Kickl selbst stellte klar, dass man hier nicht alles ernst nehmen müsse. Ein Polit-Fasching am Aschermittwoch. So gesehen war auch die Mahnung des Bundespräsidenten zuvor eigentlich übertrieben.

Herbert Kickl ist zweifellos mit Vorsicht zu genießen. Man weiß oft nicht, ob er das auch selbst glaubt, was er da an Propaganda von sich gibt. Bei Bütten-Reden auf politischen Folklore-Veranstaltungen könnte man die Kirche jedoch im Dorf lassen.

Ein Spieler und Provokateur

Herbert Kickl ist ambivalent, ein Spieler, ein Provokateur, ein Taktiker. Nehmen wir den immer wiederkehrenden Verweis auf die Politik des Viktor Orban: Will er nur dessen restriktive Migrationspolitik kopieren? Oder will er mehr? Kickl lässt das in Schwebe, bei Kritik kann er immer darauf verweisen, dass er nur auf dessen Migrationspolitik abzielt. Ähnlich ist der Fall beim Begriff „Remigration“: Herbert Kickl hat ihn nicht erfunden, er steht in keinem FPÖ-Programm, aber Kickl spielt mit ihm. In der Aschermittwochsdiktion ist dann die Rede von einem „Geh-heim-Plan“. Auch mit der Furcht, die manche auf ihn projizieren, spielt er gern.

Herbert Kickl ist an sich ein rationaler Mensch, dem Stimmenmaximierung über alles geht. Das hat er bei Jörg Haider und Heinz-Christian Strache nicht nur gelernt, das hat er federführend mitexerziert. Aber während der Corona-Pandemie glitt er ins Irrationale ab. Wiewohl wiederum auf rationalem Untergrund. Die FPÖ lag nach Ibiza, nach der Obmannschaft von Norbert Hofer, am Boden. Kickl erkannte, dass er mit Fundamentkritik an den Corona-Maßnahmen wieder an Boden gewinnen könne. Er blieb auf dem Thema drauf, rücksichtslos, skrupellos.

Und auch hier wieder: Man wusste nie so genau – und weiß es bis heute nicht –, ob er das alles selbst glaubt(e), was er da von sich gab. Allerdings glaubte er seinerzeit als Innenminister auch schon, was ihm sein Generalsekretär Peter Goldgruber und andere sinistre Figuren aus dem Sicherheitsapparat über das BVT erzählten. Auch hier wiederum war der Hintergrund – Missstände – real, die Razzia jedoch mehr als überschießend.

Von der Hinter- auf die Vorderbühne

Herbert Kickl ist – im Gegensatz zu Jörg Haider und Heinz-Christian Strache – auch ein eher unnahbarer Mensch. Aber es gelingt ihm dennoch spielerisch, zu seinen Anhängern eine Beziehung aufzubauen wie es den beiden zuvor Genannten ebenso gelang. Die Halle tobt regelmäßig, „Herbert, Herbert“-Sprechchöre, Selfies, Händeschütteln, Schulterklopfen. Der Reimeschmied aus dem Hinterzimmer beherrscht heute die blaue Bühne. Eine unvorhersehbare Wandlung. In erster Linie seinem rhetorischen Talent, seiner Schlagfertigkeit geschuldet.

Mit Herbert Kickl ist wahrscheinlich kein Staat zu machen. Dafür ist er zu wenig verantwortungsbewusst. Er ist kein Staatsmann, ihm geht die Partei über alles. Man kann und sollte ihm dennoch auf einer rationalen Ebene begegnen. Ihm mangelnde bzw. fehlgeleitete Konzepte vorhalten, die Dürre des Personals in mehrerlei Hinsicht hinterfragen. Jedoch mit plakativen Zuschreibungen vorsichtiger, ja differenzierter sein. Differenzierter jedenfalls als es Kickl selbst oft ist.

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