Diplomatie

In der Roßauer Kaserne will keiner Soldaten in die Ukraine schicken

„Guter Draht“: Tanner mit Pistorius.
„Guter Draht“: Tanner mit Pistorius. APA / APA / Robert Jaeger
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Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius schließt in Wien die Entsendung von Bodentruppen aus. Gastgeberin Klaudia Tanner wird noch deutlicher.

Wien. Der Gast im Verteidigungsministerium, in der Roßauer Kaserne, ist in Deutschland so etwas wie der Mann der Stunde. Und das obwohl er Mitglied der notorisch unbeliebten Ampel-Koalition ist und obwohl er Sätze sagt, wie sie von einem Verteidigungsminister der Bundesrepublik davor kaum zu hören waren, darunter, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Als Boris Pistorius (SPD) am Dienstag bei Amtskollegin Klaudia Tanner (ÖVP) seinen Antrittsbesuch absolvierte, dauerte es jedenfalls nicht lange, da wurde er auch vom Thema der Stunde eingeholt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Freund und Feind überrascht, als er mit Blick auf den Ukraine-Krieg „nichts ausschließen“ wollte, auch nicht die Entsendung von Bodentruppen. Pistorius hält von dem Vorstoß sehr wenig. „Ja!“, antwortet er kurz und bestimmt auf die Frage, ob er einen solchen Bodeneinsatz ausschließen könnte. Tanner blickt den Gast zufrieden an. Die Antwort gefällt ihr. Die Einlassungen Macrons redet Pistorius als „Denkanstoß“ klein. Und: „Ich weiß nicht, was der Antrieb war.“ Er glaube auch nicht, dass Bodentruppen „im vorrangigsten Interesse der Ukrainer“ seien und er sei jedenfalls froh, dass Jens Stoltenberg Stellung bezogen habe. Der Nato-Generalsekretär hatte schon Stunden zuvor versucht, die Debatte wieder einzufangen und öffentlich erklärt, die Nato plane keine Truppen-Entsendung.

Tanner kritisiert Macron

Tanner wurde noch deutlicher. Sie bezeichnete Macrons Aussagen also „besorgniserregendes Signal“, genauso wie die Haltung des tschechischen Präsidenten. Petr Pavel hat Berichten zufolge 20 tschechischen Staatsbürgern erlaubt, sich den ukrainischen Streitkräften anzuschließen. Tanner sorgt sich nun vor einer weiteren Eskalation: „Wir müssen für Frieden sorgen und die Sprachlosigkeit der Diplomatie zu einem Ende bringen.“ Solche rot-weiß-roten Appelle häufen sich. Schon am Vorabend hatte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Paris gedrängt, Wladimir Putin „zurück an den Verhandlungstisch zu holen“. Darauf angesprochen, fragt Pistorius, zunächst nach, ob sein Kanzler, ob Olaf Scholz, das gesagt habe. Nein, Nehammer. „Das hätte mich auch überrascht“, meint Pistorius. Jedenfalls: Putin könne den Krieg jederzeit beenden und „er sollte es schleunigst tun“.

Macrons Vorstoß erfolgt zu einem heiklen Zeitpunkt: Denn zeitgleich stand der deutsche Kanzler Scholz in der Kritik, weil er sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine bekräftigt hat. Die Debatte kreist auch um die Frage, ob Deutschland mit den Taurus Personal in die Ukraine schicken müsste. Zwar gehen die Meinungen auseinander. In der Praxis dürfte es bei den bestehenden Einsatzkonzepten aber ohne „tieferes Engagement“ der Deutschen kaum gehen, meint Militäranalyst Franz-Stefan Gady auf X. Aber das lehnt Scholz kategorisch ab. Pistorius lenkt die Debatte in Wien weg von Taurus. Also zumindest versucht er es. Die Ukraine, behauptet er, habe andere Prioritäten. Wichtig wäre es, die Produktionskapazitäten hochzufahren bei Luftverteidigung und Artilleriemunition: „Alles andere hilft nicht weiter.“

Enge Kooperation mit Wien

Deutschland ist Nato-Staat, Österreich nicht, trotzdem ist die Kooperation der Nachbarn enger als vielen bewusst ist. Pistorius erwähnt, dass heuer 400 gemeinsame Ausbildungen und Übungen anstehen: „Das ist schon eine richtige Hausnummer.“ Aber vor allem schiebt Deutschland die „European Sky Shield Initiative“(ESSI) voran, an der sich auch Österreich beteiligt. Schon „sehr bald“ werden Wien und Berlin ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnen, sagt Tanner. Es geht dabei um die Anschaffung von Luftabwehrsystemen mittlerer Reichweite. Der Hintergrund: Österreich plant den Ankauf von acht deutschen Iris-T-Luftabwehrsystemen. Tanner bezeichnet „Sky Shield“ als Beschaffungskooperation. Auch bei Ausbildung und Wartung soll kooperiert werden.

Die Ressortechefs streifen im Ministerium auch die anderen Krisenherde dieser Welt. Pistorius sagte, er habe bei seinem jüngsten Besuch auf dem Westbalkan „gespürt, wie angespannt die Situation dort ist“. Und: „Russland instrumentalisiert diese Spannungen für seine Zwecke.“ Österreich ist einer der größten Truppensteller der Kfor-Mission im Kosovo (auch wenn heuer eine Kompanie abgezogen und von den Deutschen ersetzt werden soll).

Es ging auch um die Lage im Roten Meer, wo Houthi-Rebellen auf Frachter schießen und dem Welthandel zusetzen. Die EU-Marinemission Aspides sei daher „auch für uns als Exportnation wichtig“, sagt Tanner. Deutschland entsendet eine Fregatte, Österreich eine Handvoll Stabsoffiziere ins griechische Hauptquartier.

» Das kann keine Option sein und es wird keine sein.“«

Boris Pistorius

deutscher Verteidigungsminister über die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine.

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