Europäische Union

Othmar Karas: „Die Feigheit hat zugenommen“

Wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine müsse die EU auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik selbstständiger werden, sagt Othmar Karas.
Wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine müsse die EU auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik selbstständiger werden, sagt Othmar Karas.Clemens Fabry
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Nationalismus und Populismus bremsten die notwendige Entwicklung in der EU, sagt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Schriftsteller Robert Menasse kritisiert, das souveräne Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU schon „70 Jahre lang verhindert wurde“.

Zur Zukunft der EU haben der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), und der Schriftsteller Robert Menasse unterschiedliche Denkmodelle präsentiert. Bei einer Debatte des „Salon Z“ zum Thema „Was wird aus Europa?“ in der Wiener Innenstadt-Galerie Layr forderte am Donnerstagabend Karas auch von der Europäischen Volkspartei mehr Selbstvertrauen in der Europapolitik.

„Vor dem Hintergrund des wachsenden Nationalismus müssen wir als politische Mitte unsere Mehrheit einsetzen, statt uns ständig links und rechts anzubiedern und vor der Zukunft zu fürchten. Wir blockieren uns selbst.“ Wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine müsse die EU auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik selbstständiger werden „und unsere liberale parlamentarische Demokratie handlungsfähig machen“, sagte Karas.

Menasse: Transnationale Probleme kann „kein nationaler Politiker lösen“

Menasse kritisierte, dass eine souveräne Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU schon „70 Jahre lang verhindert wurde“. Die EU bestehe aus 27 Mitgliedsländern „mit unterschiedlichen demokratischen Systemen“. Transnationale Probleme wie Klimawandel, Energieabhängigkeit, Finanzen könne „kein nationaler Politiker in nationaler Souveränität lösen“. „Daher müssen wir ein europäisches Demokratiemodell entwickeln“, so Menasse, der dieses in seinem neuen Buch „Die Welt von morgen“ beschrieb.

Karas betonte, dass seit 2015 die notwendige europäische Entwicklung von Nationalismus und Populismus gebremst worden sei. „Die Feigheit hat zugenommen“, so Karas. Früher hätten Politiker zuhause erklärt, was sie in Brüssel für das gemeinsame Wohl erreicht hätten. „Heute prahlen sie daheim nur damit, wo sie sich überall durchgesetzt hätten.“ Menasse ergänzte: „Wenn Bundeskanzler (Karl) Nehammer aus Brüssel zurückkommt, erklärt er stolz, welches Veto er im Interesse der Österreicher eingelegt hat.“

Karas: Mehr als die Hälfte der Rüstungsgüter außerhalb EU gekauft

Laut Karas seien dennoch wichtige Beschlüsse zur Entwicklung der EU beschlossen worden, etwa beim Klimaschutz, bei der Migrationspolitik und zuletzt im März „bei der Schaffung einer europäischen Verteidigungsunion mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und Beschaffung“. Derzeit funktioniere die Kooperation der untereinander noch nicht kompatiblen Heere nur ansatzweise. „Noch immer wird in der EU mehr als die Hälfte der Rüstungsgüter außerhalb der EU eingekauft, auch weil europäische Politiker nicht wollen, dass die Nachbarn wissen, was sie kaufen“, sagte Karas.

In der Corona-Pandemie hätten EU-Politiker zunächst auf die nationale Kompetenz in der Gesundheitspolitik gepocht. Aber dann habe die EU die gemeinsame Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen erfolgreich betrieben.

Blockade in EU durch nationale Wahlen

Menasse sieht nationale Blockaden des europäischen Systems auch durch nationale Wahlen begründet. „Um gewählt zu werden, versprechen europäische Politiker das nationale Heil.“ Die EU werde daher oft schlechtgeredet und diene als Sündenbock.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisierte er scharf. Sie habe beim „Green Deal“, ihrem Leitprojekt zum Klimaschutz und ökologischen Umbau der Wirtschaft, im letzten Jahr ihrer Amtsperiode plötzlich Änderungen bei den Zielen vorgenommen. „Ihr Abgehen vom Green Deal ist die größte Niederlage der Europäischen Kommission“, betonte Menasse.

Karas bestritt wesentliche Änderungen beim Kampf gegen den Klimawandel. „Von der Leyen hat beim Green Deal nichts zurückgenommen. Europa soll bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral sein.“ Freilich sei die EU bei der Festlegung der Zielvorgaben meist schneller als bei der Umsetzung. (APA)

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