Bohunice: Slowakei lenkt vorerst ein

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Wenn Moskau wieder Gas liefert, werden die Reaktoren nicht weiter hochgefahren. Prinzipiell hält die Slowakei aber an ihrem Wunsch fest, die Reaktoren weiterhin zu nutzen.

Die Slowakei wird das Atomkraftwerk Bohunice nicht mehr weiter hochfahren, sollte Russland tatsächlich am seine Gaslieferungen wieder aufnehmen. Diese Zusage macht Premierminister Robert Fico am Montag Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Nach einem Telefonat der beiden dürfte das Streitthema zumindest vorerst vom Tisch sein. Fico sagte Faymann sogar zu, er könne einen Beobachter nach Bohunice schicken, um das Herunterfahren der Anlage zu kontrollieren.

Freilich hält die Slowakei prinzipiell an ihrem Wunsch fest, die seit 1. Jänner abgeschalteten Reaktoren weiterhin zu nutzen. In einer Notsituation, so stellte der slowakische Premier im Gespräch mit der „Presse“ klar, sei eine Wiederinbetriebnahme durchaus notwendig. „Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir diese frühere Verpflichtung der ehemaligen Regierung nie für richtig gehalten haben.“ Fico hofft langfristig auch auf Einsicht in Österreich: „Wir bitten die österreichischen Bürger und Politiker um Verständnis, dass wir in diese außerordentlichen Situation nicht anders konnten. Jeder andere Staat hätte genauso handeln müssen.“

Vertragsverletzungsverfahren

Die Slowakei hat sich in ihrem Beitrittsvertrag zur Schließung der beiden Reaktoren des Blocks V1 bis Ende 2008 verpflichtet.  Sollte sie bei nächsten Gas-Lieferproblemen diese erneut in Betrieb setzen, würde ihr aller Voraussicht nach auch die EU-Kommission einen Strich durch die Rechnung machen. Diese ließ am Montag keinen Zweifel, dass sie umgehend ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten würde. Dies würde in eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg münden. Der EuGH würde Experten zufolge höchstwahrscheinlich zum Urteil kommen, dass die Slowakei das AKW wieder abschalten muss. Sonst müsste das Land eine hohe Strafe zahlen. Weil das Urteil so eindeutig wäre, könnte der EuGH mit einer einstweilige Verfügung auch eine sofortige Schließung veranlassen. Allerdings gibt es für den Fall, dass Bratislava trotzdem an einem Betrieb festhält, keine Sanktionsmöglichkeiten. Strafen würden erst nach einem Urteil tragend.

„Klarer Bruch des EU-Rechts“

Premierminister Robert Fico hatte die Wiederaufnahme von Bohunice am Wochenende noch damit begründet, man wolle Bürger vor dem Frieren schützen. Auch am Montag, nach dem Einlenken Russlands bei den Lieferungen, hielt die Slowakei vorerst am Hochfahren fest – bis ein Reaktor startklar ist, dauert es mehrere Tage.
Ein Neustart von Bohunice wäre ein „klarer Bruch des Beitrittsvertrags“, hieß es in Brüssel. Ob die EU-Kommission tatsächlich auf ein Eilverfahren drängen würde, gilt unter Experten aber als ungewiss. „Nicht jeder hat es in der Sache so eilig wie Österreich, das ist der Kommission vielleicht gar nicht so wichtig“, so heißt es.

In diesem Fall würde die Behörde zuerst ein Mahnschreiben und eine Stellungnahme an die Slowakei schicken. Erst nach einer Antwort und deren Prüfung würde der EuGH eingeschaltet. Ohne Eilverfahren (einstweilige Verfügung) kann dieser Prozess mehrere Jahre dauern. Erst nach einem ersten Urteil, das die Slowakei nicht erfüllt (Schließung des Reaktors), gäbe es ein zweites Urteil, nach dem die Slowakei eine hohe Strafe zahlen muss.

Lexikon: Die Risikofaktoren des Sowjet-Reaktors

Die beiden Reaktorblöcke der Anlage Bohunice V1, die nun wieder ans Netz gehen, sind sowjetische Druckwasserreaktoren vom Typ WWER440/230. Sie verfügen über keine ausreichende Notkühlung für den Reaktorkern und über keine Schutzhülle. Der Risikoforscher Wolfgang Kromp (Uni Wien) betont, dass solche sowjetische Reaktoren der ersten Generation zwar solide gebaut wurden. „Es wurde dabei aber auf einige Vorkehrungen gegen Unfälle verzichtet“, sagte er zu APA.

Fehlender Schutzmantel. Ein Grund für die Abschaltung der beiden Reaktoren war der fehlende Schutzmantel (Containment). Er hat die wichtige Funktion, den Austritt von radioaktiven Substanzen zu verhindern und die Anlage vor äußeren Einwirkungen (zum Beispiel Flugzeugabstürzen) zu schützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2009)

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