Riesenloch im Schweizer Bankgeheimnis

(c) EPA (Christoph Ruckstuhl)
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Das Schweizer Bankgeheimnis ist wohl Geschichte: US-Behörden erzwingen von Großbank UBS Herausgabe von Steuersünderdaten.

wien (ju/ag). Die Großbank UBS, der die US-Behörden Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei US-Bürgern in tausenden Fällen vorwerfen, hat mit den Amerikanern einen Vergleich geschlossen, der die Zahlung einer Strafe von 780 Mio. Dollar – und die Herausgabe der Daten von bis zu 300 US-Kunden der Bank beinhaltet. Und zwar auf den bloßen Verdacht der Steuerhinterziehung hin.

Das ist ein klarer Tabubruch: Die Schweiz unterscheidet (wie Liechtenstein) zwischen Steuerbetrug (wenn etwa falsche Dokumente vorgelegt werden) und Steuerhinterziehung (wenn etwa der Inhaber eines Schweizer Kontos in seinem Heimatland auf das Steuerzahlen „vergisst“). Mit ausländischen Behörden wird eisern nur bei Steuerbetrug kooperiert, schlichte Steuerhinterzieher werden durch das Bankgeheimnis geschützt.

Das ist seit gestern anders. Kein Wunder, dass in der Eidgenossenschaft helle Aufregung herrscht: Die Regierung trat zu einer Sondersitzung zusammen, die „Neue Zürcher Zeitung“ meinte in diesem Zusammenhang, die Glaubwürdigkeit der Schweiz sei bedroht und der Finanzplatz stünde nun „mit dem Rücken zur Wand“.

Die Herausgabe der Daten ist offenbar von der schweizerischen Finanzmarktaufsicht aus Sorge um den Gesamtstaat erzwungen worden. Die US-Behörden hatten mit Prozess gedroht, ein solcher hätte die finanziell ohnehin aus dem letzten Loch pfeifende Bank (sie wird in ihrer Bilanz 2008 mindestens 20 Mrd. Franken, umgerechnet 13,5 Mrd. Euro, Verlust ausweisen) in die Insolvenz treiben können.

Die Verhinderung einer solchen Insolvenz hätte die Schweiz mit dem Staatsbankrott bedroht. Denn der Bankensektor ist in der Schweiz im Verhältnis zur Größe des Landes weit überdimensioniert. Die kumulierte Bilanzsumme der Banken macht ein Vielfaches der Wirtschaftsleistung aus, die UBS ist die mit Abstand größte davon. Im Herbst 2008 musste der Staat die UBS mit 68 Mrd. Franken (fast 14 Prozent des Schweizer BIP) vor dem Zusammenbruch retten.

Das Schweizer Bankgeheimnis steht wegen des amtlichen Schutzes für ausländische Steuerhinterzieher seit einiger Zeit unter heftigem Beschuss der amerikanischen und europäischen Behörden. Der Druck der EU auf Lockerung des strikten Bankgeheimnisses dürfte sich nach dem UBS-Vergleich mit den amerikanischen Behörden beträchtlich verstärken.

Auch Österreich unter Beschuss

Unter Beschuss steht aber auch das österreichische Bankgeheimnis. Und hier machen seit ein paar Tagen abenteuerliche Gerüchte die Runde: Speziell Deutschland sei bestrebt, das von den österreichischen Banken dringend benötigte EU-Osthilfepaket (heimische Politiker hatten die Summe von 150 Mrd. Euro genannt) nur im Gegenzug der Abschaffung des österreichischen Bankgeheimnisses zu schnüren.

AUF EINEN BLICK

Das Schweizer Bankgeheimnis ist seit gestern durchlöchert wie ein Schweizer Käse: Die Großbank UBS hat mit den US-Behörden einen Vergleich geschlossen, der unter anderem die Herausgabe der Kontodaten von möglichen amerikanischen Steuerhinterziehern vorsieht. Bisher hat die Schweiz solche Ansinnen immer strikt abgewiesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2009)

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