Im Alltag gewinnt der, der vor nichts zurückschreckt

(c) AP (Thomas Kienzle)
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Moral ist in der Wirtschaft Stoff für Sonntagsreden und Symposien, freiwillige Verhaltenskodizes wirken nicht.

Wien. „Die Krise ist eine Vertrauenskrise: Finanzmärkte zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Managern, auf Firmenbilanzen ist kein Verlass. Die Bürger zweifeln an der Integrität von Managern und Politikern. Die Manager zweifeln an der Verlässlichkeit ihrer Geschäftspartner. Und die Mitarbeiter zweifeln am Anstand ihrer Chefs.“ Auf dieser Basis kann sich kein vernünftiges Wirtschaften entwickeln. Kein Wunder, dass die Konjunktur am Boden liegt.

Diese Analyse, verkürzt dem deutschen „Manager-Magazin“entnommen, stammt aus dem Jahr 2002. Damals war gerade die Internetblase geplatzt, Skandale wie Enron und Worldcom und die Betrügereien auf dem deutschen Neuen Markt hatten die Wirtschaft erschüttert.

Jetzt schreiben wir 2009, statt Enron und Worldcom haben wir Madoff und AIG, der früher als superseriös bekannte Siemens-Konzern ist als schlichter Großschmiergeldzahler enttarnt, Bilanzen kann man noch weniger trauen als vor sieben Jahren, und in Österreich sind große Familien wie Meinl und Turnauer dabei ertappt worden, wie sie mittels gefinkelter Immobilienaktienkonstruktionen tausende kleine Leute um ihr Geld gebracht haben.

Es hat sich also nichts geändert, man hat aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Moral in der Wirtschaft ist etwas für Sonntagsreden und Symposien. Aber nichts für den Geschäftsalltag: Dort gewinnt der, der vor nichts zurückschreckt.

Eine gefährliche Entwicklung: Nach in Deutschland ermittelten Daten hat die Gruppe jener, die die Marktwirtschaft nicht mehr für das überlegene Modell halten, im Vorjahr erstmals die Mehrheit erreicht.

Druck noch nicht so groß

Der Druck, das System durch Korrekturen vor dem Untergang zu bewahren, ist offenbar auch in dieser Krise noch nicht groß genug.

Man sieht das am Schicksal der sogenannten „Corporate Governance Kodexes“, die „Wohlverhaltensregeln“ für Unternehmen festschreiben. Die gibt es in vielen Ländern, darunter auch in Österreich. Aber ihre Einhaltung beruht überwiegend auf Freiwilligkeit. Und sie werden deshalb selbst von vielen jener Unternehmen nur teilweise praktiziert, die sich selbst freiwillig zur Einhaltung verpflichtet haben.

Wie man Ethik in vielen Unternehmen sieht, demonstriert seit Monaten die Meinl Bank: Der Vorwurf, man habe Anleger durch die Verheimlichung von Zertifikatsrückkäufen der Meinl European Land getäuscht, wird kühl mit der Bemerkung gekontert, man sei dazu „durch Jersey Law“ nicht verpflichtet gewesen. Verboten hätte ihnen eine anständige Information ihrer Geldgeber aber auch niemand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2009)

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