In den größten Förderländern, Nigeria und Angola, wächst der Unmut.
Wien. Zum Start des World Economic Forums (WEF) im schweizerischen Davos diese Woche entwarf WEF-Chef Klaus Schwab ein düsteres Szenario. Man müsse sich nur überlegen, wie viele Länder in Afrika wirtschaftlich vom Ölexport abhängen, sagte er. „Und jetzt stellen sie sich eine Milliarde Einwohner vor, die sich auf den Weg in den Norden machen.“ Denn mit dem Preisverfall drohe auch ein substanzieller sozialer Zusammenbruch.
Noch ist es nicht so weit, aber erste Erschütterungen sind in Afrikas Ölstaaten schon zu spüren – allen voran in den größten Förderländern des Kontinents, Nigeria und Angola. Der nigerianische Präsident, Muhammadu Buhari, seit acht Monaten im Amt, hat versprochen, die Abhängigkeit des Landes von den Ölverkäufen zu reduzieren, die etwa 70 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Nun sind die Einkünfte von Afrikas bevölkerungsreichstem Staat drastisch gesunken. Hinzu kommt der Wertverlust der Landeswährung Naira. Die Arbeitslosigkeit wächst. Die steigenden Preise „zerfressen vor allem die Einkommen der Menschen am untersten Ende der sozialen Hierarchie“, sagte der Journalist Alkasim Abdulkadir aus Abuja.
„Proteste und Unruhen“
Schon im vergangenen Jahr musste die Zentralregierung einspringen, als die 36 Bundesstaaten ihren Beamten nicht mehr auszahlen konnten. „Wenn es so weitergeht, drohen Proteste und Unruhen“, sagt Abdulkadir. Der Nigeria-Experte der International Crisis Group (ICG), Nnamdi Obasi, sieht darin zwar noch keine unmittelbare Gefahr – langfristig sei das aber möglich. Buhari habe viele soziale Verbesserungen versprochen und müsse wenigstens einige davon umsetzen.
In Angola nährt der Mix aus Kürzungen, Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten den Unmut über die ohnehin unbeliebte Regierungspartei MPLA, vor allem bei der Jugend. „Die Regierung und Präsident (José Eduardo, Anm.) dos Santos haben mit einem unnötigen Maß an Paranoia reagiert: Proteste unterdrückt, Aktivisten verhaftet, strikte Kontrollen der sozialen Medien angedroht und an die gewaltsamen Säuberungen von Mai 1977 erinnert“, sagt Piers Pigou von der International Crisis Group. Zwar sei eine Rebellion auf breiter Basis unwahrscheinlich. Aber das strikte Vorgehen der Regierung gegen oppositionelle Stimmen werde die negative Stimmung gegenüber dem Staat verstärken.
In Gabun, das wegen des Öls über eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Afrika verfügt, geht die Regierung inzwischen hart gegen Migration aus ärmeren afrikanischen Staaten vor. Gleiches gilt für ölreiche Länder wie Äquatorialguinea oder Kongo-Brazzaville. Damit entfällt auch für viele Menschen die Möglichkeit, Armut und Arbeitslosigkeit innerhalb des Kontinents zu entfliehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)