Preissturz treibt Venezuela an den Rand des Ruins

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Präsident Maduro warnte bereits vor dem Notstand. Die Stabilität des Landes, dessen Export zu 96 Prozent aus Öl besteht, stehe auf dem Spiel. Auch in Mexiko und Ecuador geht die Angst vor einem anhaltend niedrigen Ölpreis um. Ecuador besorgte sich einen Kredit in China.

Buenos Aires. Ist das jetzt endlich der Tiefpunkt? Auch im Südteil Amerikas stellen sich nach der Rückkehr des Iran auf den Weltmarkt die Regierungen die Frage, die niemand beantworten kann. Massive Probleme bekommen vor allem drei Staaten, deren Haushalte von Erdölexporten abhängen: Mexiko, Ecuador und vor allem Venezuela.

Mexikos Öl verlor in der vergangenen Woche ein Viertel seines Wertes. Die Preise für die „mexikanische Mischung“ erreichten zeitweise nur noch 18 Dollar pro Barrel, Preise, wie sie seit zwölf Jahren nicht mehr verzeichnet wurden. Die staatliche Ölgesellschaft Pemex verlautbarte vorige Woche, dass die Rentabilität des Unternehmens bis zu zehn Dollar pro Barrel gesichert sei, in manchen Förderzonen im Golf von Mexiko könnte selbst bei sieben Dollar pro Fass noch ohne Verlust gepumpt werden. Voriges Jahr hatte es noch geheißen, die Rentabilitätsgrenze liege bei 23 Dollar je Fass. Obwohl der mexikanische Kongress 2013 die Privatisierung des Staatskonzerns beschloss, hängt der Haushalt immer noch erheblich von den Einnahmen des Riesen ab, der 70 Prozent seiner Erlöse an die Staatskasse abzuführen hat.

Die sinkenden Ölpreise zwangen die Regierung von Enrique Peña Nieto dazu, für 2015 und 2016 umgerechnet etwa elf Milliarden Euro aus dem Budget zu streichen. Nun ist damit zu rechnen, dass weitere Streichungen nötig sein werden, wenn die Preise nicht schnell anziehen, womit niemand rechnet. Schon im Vorjahr, als der Barrel-Preis bei 40 Dollar lag, kaufte die Regierung Versicherungen, um im Budget mit 49 Dollar pro Barrel kalkulieren zu können – zumindest für 2016. „Die öffentlichen Finanzen sind abgesichert“, versprach Finanzminister Luis Videgaray.

Subvention für die Ölindustrie

Ecuadors Präsident Rafael Correa räumte neulich ein, dass der auf 20,7 Dollar gefallene Barrel-Preis nicht ausreiche, um die Kosten zu decken. Nun muss der Staat wohl aus Steuermitteln die Erdölindustrie subventionieren. Dabei ist das eigentlich anders herum gedacht. Der Haushalt des 16-Millionen-Einwohner-Landes ist auf einem durchschnittlichen Ölpreis von 35 Dollar kalkuliert. Und Correas Wirtschaftssystem basierte in den vergangenen Jahren darauf, die Öleinnahmen für Infrastruktur auszugeben, was die Konjunktur am Laufen hielt.

Doch als die Ölpreise 2014 zu sinken begannen, schlug Correas Modell leck. Zwischenzeitlich konnte er sich Kredit in China sichern – den sein Land künftig mit Öl abbezahlen muss, was Correas Nachfolger zu spüren bekommen werden. Angesichts der düsteren Aussichten verzichtete der studierte Ökonom auf seinen ursprünglichen Plan, via Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit anzustreben.

Vor allem Venezuelas Regierung steht nach dem Verfall der Ölpreise mehr unter Druck denn je. Seit 5. Jänner ist das Parlament unter deutlicher Kontrolle der Opposition, und Präsident Nicolás Maduro kann nicht mehr entscheiden, wie es ihm beliebt. Die venezolanische Rentabilitätsgrenze von 19 Dollar pro Fass ist bereits zeitweise unterschritten worden. Phasenweise bekam das Land, dessen Ausfuhren zu 96 Prozent aus Erdöl bestehen, nur noch 17 Dollar pro Fass. „Wir sind in einer wirklichen Notsituation, in einer Krise, die die wirtschaftliche Stabilität bedroht und auch die sozialen Errungenschaften der letzten zehn bis 15 Jahre“, sagte Maduro in der Vorwoche. Er habe den iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, eindringlich gebeten, den Weltölmarkt zu verteidigen und den Ölpreis auf ein „gerechtes und stabiles Niveau“ zurückzuführen.

Inflation von 141 Prozent

Aber wo liegt das? Nach Berechnungen der Beratungsfirma Ecoanalitica bräuchte Venezuelas Wirtschaftssystem einen Ölpreis von 120 Dollar pro Barrel, um zu überleben. Schon ehe der Preissturz begann, war Venezuelas Wirtschaft defizitär. Die aktuellen Daten sind verheerend. Erstmals seit einem Jahr veröffentlichte die Regierung vorige Woche offizielle Zahlen. Demnach lag die Inflation im September bei 141 Prozent und die Rezession bei 4,5 Prozent. Private Institute sehen die Geldentwertung bei über 200 Prozent, den Abschwung bei zehn Prozent sowie das Budgetdefizit bei 20 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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