Fifa: Aufbruch in eine neue Ära

Newly elected FIFA President Infantino gives a thumb up as he arrrives for a news conference during the Extraordinary FIFA Congress in Zurich
Newly elected FIFA President Infantino gives a thumb up as he arrrives for a news conference during the Extraordinary FIFA Congress in ZurichREUTERS
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Der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino muss Worten nun Taten folgen lassen. Es gilt, den Fußballweltverband aus der Krise zu führen, Reformen und Wahlversprechen umzusetzen.

Die Wahl zum Präsidenten des Fußballweltverbands ist vollzogen, der neue Mann auf dem Thron heißt Gianni Infantino. Im Zürcher Hallenstadion kehrte noch in der Nacht auf Samstag mit den Umbauten für die Eishockey-Fläche wieder der Alltag ein und auch dem Italo-Schweizer, der sich im zweiten Durchgang mit 115:88 Stimmen gegen den favorisierten Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa durchgesetzt hat, bleibt wenig Zeit, den Triumph auszukosten. Schon in den nächsten Wochen und Monaten gilt es, die weitreichenden Ankündigungen umzusetzen und der Fifa den Weg aus der Krise zu weisen. „Wir werden das Image des Fußballs verändern. Jeder wird uns in der Welt dabei zusehen und jeder wird uns dafür loben“, erklärte Infantino. „Der Fußball und die Fifa sind durch traurige Zeiten gegangen. Aber die sind nun vorbei. Wir müssen nach vorn schauen und uns den Respekt der Leute durch harte Arbeit wieder erarbeiten.“

Nach der 17-jährigen Regentschaft von Joseph Blatter ist Infantino das neue Gesicht der Fifa, der starke Mann aber wird noch gesucht. Die Position des Generalsekretärs, dem durch das Reformpaket eine noch größere Bedeutung und das höchste Gehalt zukommt, soll bis spätestens zum ordentlichen Fifa-Kongress Mitte Mai in Mexiko besetzt sein. Infantino weiß aus eigener Uefa-Erfahrung, wie wichtig die Wahl seiner rechten Hand ist. Noch wurden keine Namen genannt, sogar eine Besetzung mit einer externen, unabhängigen Person scheint möglich. Infantino hat sich bislang nur festgelegt, dass es kein Europäer wird.

Den tatsächliche Willen Infantinos zur Umsetzung der Reformen wird die Zeit weisen, der 45-Jährige gab sich in seiner Antrittsrede jedenfalls überzeugt, trotz des knappen Wahlausgangs für seine bis 2019 laufende Amtszeit die Unterstützung aller Mitgliedsverbände zu genießen. „Der Fußball ist nicht gespalten. Wir hatten eine Wahl, keinen Krieg“, betonte der einstige Uefa-Generalsekretär. „Ich werde der Welt zeigen, dass ich kein Kandidat Europas bin, sondern ein Kandidat des Fußballs.“


Großzügige Versprechen. Die Weltöffentlichkeit wird Infantinos Umgang mit den laufenden Ermittlungen ebenso genau verfolgen wie das FBI und die Schweizer Justiz, bislang klangen seine Äußerungen zum Korruptionsskandal und den beschlossenen Reformen eher pflichtschuldig und wenig überzeugend. Die Verbände, allen voran die kleinen, werden ihren neuen Präsidenten aber vorrangig an der Erfüllung seiner Wahlversprechen messen: der Ausweitung der Weltmeisterschaften von 32 auf 40 Teilnehmer sowie der Auszahlung von 4,5 Millionen Euro an jedes Fifa-Mitgliedsland im nächsten Finanzzyklus.

Bei der WM-Aufstockung erwartet Infantino starker Gegenwind von seiner europäischen Kernklientel. Der neue Fifa-Chef war noch keine Stunde im neuen Amt, da erreichte ihn einmal mehr eine vehemente Absage der europäischen Klubvereinigung. Nicht nur in dieser Frage ist Infantinos Verhandlungsgeschick gefragt, sondern auch bei der Suche nach Geldgebern. Den Finanzierungsplan für die fast 150-prozentige Erhöhung der Auszahlungen an die Nationalverbände ist er nämlich noch schuldig. Dabei befindet sich der Weltverband in einer finanziellen Schieflage, wird für den Zyklus bis 2018 doch ein Defizit von 550 Millionen Dollar im Vergleich zu den Prognosen von 2014 erwartet. Infantino verwies auf die positive finanzielle Entwicklung der Uefa und versprach: „Ich werde das Vertrauen der Sponsoren wieder herstellen und auf neue Partner zugehen.“

Die erste wegweisende Entscheidung muss Infantino aber bereits am kommenden Wochenende treffen. Bei der Jahresversammlung der Fußball-Regelhüter in Cardiff geht es unter anderem um die testweise Einführung des Videobeweises.

Pressestimmen zur Fifa-Wahl:

„Süddeutsche Zeitung“: „Jede Menge Blatter. Der Fußballweltverband preist sein Reformpaket als richtungsweisend an – doch die alte Fifa des gesperrten Ex-Präsidenten bleibt weiter präsent. Debatten, etwa über Menschenrechte, sind unerwünscht.“

„Bild“: „Bessere, aber keine gute Wahl. Gianni Infantino ist nicht der Traumprinz, der die Fifa wachküsst und aus der Krise führt.“

Neue Zürcher Zeitung“: „Die Gegenwart der Fifa präsentiert sich deutlich aufgehellt. Die Reformen sind weitgehend und modern. Und Infantino ist kein angejahrter Apparatschik, sondern ein eloquenter Manager mit Erfahrung im Fußballgeschäft. Die Fifa ist trotzdem noch längst nicht aus dem Schneider.“

„Guardian“: „Gianni Infantinos Sieg ist ein Hoffnungsschimmer im Dunkeln.“

„La Repubblica“: „Der Fußball entscheidet sich für Infantino. Die Fifa liegt in europäischen Händen – der arabische Traum ist vorbei. Der neue Präsident muss sich zunächst die Stiefel schmutzig machen. Es handelt sich um ein verdrecktes Meer, in dem es Blatter großartig verstand zu schwimmen.“

„La Nouvelle Republique“: „Gianni Infantino weiß, dass er keine Zeit zu verlieren hat. Der Kapitän hat zwar gewechselt, doch nicht die Spielregeln.“

„El Mundo“: „Ein Apparatschik für die Erneuerung. Es wird sich zeigen, wie Infantino seine Führungsarbeit gestaltet, denn bisher ist er immer in Michel Platinis Schatten gestanden.“

Steckbrief

1970
wird Gianni Infantino als Sohn italienischer Einwanderer im Schweizer Wallis geboren. Der Doppelstaatsbürger absolvierte ein Jusstudium.

2000
heuert Infantino bei der Uefa an, leitet unter anderem die Rechts- und Klublizenzierungsabteilung.

2009
steigt Infantino unter Uefa-Chef Michel Platini zum Generalsekretär auf. Mit dem Franzosen pflegt er eine enge Beziehung.

2015
nominiert die Uefa nach Platinis Suspendierung quasi im letzten Moment Infantino als Kandidat für die Fifa-Wahl.

2016
wird Infantino beim außerordentlichen Kongress in Zürich im zweiten Wahldurchgang mit 115 Stimmen zum neunten Präsidenten in der 112-jährigen Historie des Fußballweltverbandes gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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