Mit 25 Jahren Milliardär und Herzog von Westminster

Gerald Cavendish Grosvenor verstarb plötzlich. Sein Sohn Hughie erbt Vermögen und Herzogtitel.
Gerald Cavendish Grosvenor verstarb plötzlich. Sein Sohn Hughie erbt Vermögen und Herzogtitel. (c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Hugh Grosvenor wird im Alter von 25 Jahren Herzog von Westminster und nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Erbe eines der größten privaten Immobilienimperien der Welt.

Englands Hochadel zeigte sich gehörig erschüttert, die Queen kondolierte. Keiner hatte mit diesem plötzlichen Tod gerechnet. Im Alter von nur 64 Jahren starb, wie die Webseite der britischen Adelsfamilie Grosvenor vor wenigen Tagen mitteilte, Gerald Cavendish Grosvenor, 6. Duke von Westminster, milliardenschwerer Eigentümer eines Immobilienimperiums und enger Freund der Königsfamilie (er war Taufpate von Prinz William), an den Folgen eines Herzinfarkts. Er hielt sich gerade zum Wachtelschießen auf seinem Besitz Abbeystead in Lancashire auf, jede ärztliche Hilfe kam nach der Herzattacke in der Nacht auf Mittwoch den 10. August für den (je nach Ranking) reichsten bis drittreichsten Mann Großbritanniens zu spät. Es gab keine Anzeichen für gesundheitliche Probleme des „sportsman“, der Duke war zuletzt meist mit Diät-Cola und E-Zigaretten gesehen worden, brauchte wenig Schlaf, man konnte zu jeder Nachtzeit mit einem E-Mail von ihm rechnen und er war zwischen Eaton Hall, dem Stammsitz der Familie in Chester, London und dem Rest der Welt ständig unterwegs.

Man vergisst in seinem Nachruf auf grosvenor.com nicht auf den Hinweis, dass dem Mann, der in der Forbes-Liste der Reichsten der Welt am 68. Platz steht, jeder Standesdünkel fern lag. Erzogen worden sei er zusammen mit seinen zwei Schwestern in Nordirland von einer „tyrannical nanny“, die nicht mit der Rute gespart habe, seine Eltern, für die Verteidigung Großbritanniens im Zweiten Weltkrieg tätig, hätten wie viele hochadelige Familien wenig Ahnung von Kindererziehung besessen. Als sein Vater Robert den Titel des 5. Herzogs von Westminster erbte, war Gerald gerade 16 Jahre alt, ein „Daily Mail“-Reporter sprach den Schüler darauf an, dass sich sein Leben ja nun radikal ändern würde. Der war ahnungslos, rief seinen Vater an und bat um Aufklärung: „Ah yes, we need to talk about that!“, war die Antwort. Gerald, der ursprünglich Rinderzüchter werden wollte, blieb sein Leben lang bodenständig, laufend an materielle Dinge zu denken würde ihn in den Wahnsinn treiben, meinte er. Er hasste es, wenn in seinem Schloss zu viele Lichter brannten, dann machte er einen Rundgang und drehte alles ab. An seinen vier Kindern hing er, er bemühte sich, mit dem Privatflugzeug pünktlich zum 5-Uhr-Nachmittagstee zu Hause in Eaton Hall zu sein.

Der mittlerweile verstorbene Gerald Cavendish Grosvenor,  Duke of Westminster, im Dezember 2014.
Der mittlerweile verstorbene Gerald Cavendish Grosvenor, Duke of Westminster, im Dezember 2014.(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)

Vom Huntsman zum Herzog

Wie kam die Familie zu ihrem Herzogstitel und einem Milliardenreichtum? Was er Unternehmern raten würde, die zu großem Vermögen kommen wollten, wurde Gerald Grosvenor in einem seiner seltenen Interviews von der „Financial Times“ gefragt. Seine Antwort: „Sie sollten sich bemühen, einen Vorfahren zu haben, der ein enger Freund von William dem Eroberer war.“ Die Familie Grosvenor war in der Tat im Zuge der normannischen Eroberung Englands 1066 ins Land gekommen, aus „Hugh Le Grand Veneur“, dem Jägermeister am Hof von William the Conqueror, wurde Hugh Grosvenor, „the Master Huntsman“, ein Titel, den die Familie jahrhundertelang mit Stolz trug, Hugh Lupus wurde ein verbreiteter Vorname der Barone, später Earls und danach Marquesses von Westminster. Ihren Adelstitel leitet die Familie Grosvenor aus dem Londoner Stadtteil Westminster ab. Den Herzogstitel, der in der Regel Mitgliedern der britischen Königsfamilie vorbehalten ist (William erhielt bei seiner Hochzeit mit Kate Middleton 2011 den Titel „Duke of Cambridge“), erhielten die Grosvenors von Queen Victoria im Jahr 1874: „My dear Westminster, I have received authority from the Queen to place a dukedom at your disposal and I hope you may accept it“, schrieb damals Premier Gladstone an Hugh Lupus Grosvenor, der nicht ablehnte.

Die Geschichte des Immobilienimperiums begann jedoch bereits zwei Jahrhunderte früher. 1677 heiratete William Grosvenor die 12 Jahre alte Grundstückserbin Mary Davies, etwa 200 Hektar Weideland, Obstgärten und sumpfige Wiesen westlich der Stadt London kamen dadurch in seinen Besitz. London wuchs und allmählich wurde das Grünland zur Goldgrube. Im 18. Jahrhundert wurde es für Bauzwecke umgewidmet und es entstanden die Londoner Stadtteile Mayfair und Belgravia. Das schicke Mayfair mit seiner exklusiven Architektur beherbergt heute die berühmten Shoppingmeilen Bond Street und Savile Row, Belgravia südwestlich des Buckhingham Palace ist heute ein Botschaftsviertel und zählt zu den Immobilienperlen Londons, Kenner der britischen Fernsehserie „Das Haus am Eaton Place“ wissen Bescheid. Beide Stadtteile gehören wegen ihrer Zentrumsnähe zu den teuersten Wohngegenden, ein großer Teil davon, mehr als ein Quadratkilometer Immobilien, wird von der Familie Grosvenor verwaltet, die königliche Liegenschaftsverwaltung (Crown Estate) kann hier nicht mithalten.

Das Familienvermögen des verstorbenen Duke betrug zuletzt schätzungsweise 10 bis 12 Milliarden Euro, doch das Brexit-Referendum hat der britischen Immobilienwirtschaft – bislang ein Magnet für Investoren –  schwer zugesetzt, es droht der Abzug von ausländischem Kapital. Gerald Grosvenor sprach zuletzt von einem „raueren Klima“ in der britischen Immobilienwirtschaft, der Bloomberg Billionaires Index, für den Grosvenor der reichste Brite ist,  von einem Vermögensverlust von 3,2 Prozent bei den britischen Superreichen.

Babyface Bachelor

Der Erbe dieses Milliardenvermögens und des Herzogstitels ist nach den Regeln der Primogenitur der erste männliche Nachkomme, in diesem Fall der drittgeborene Hugh Grosvenor, genannt „Hughie“, 25 Jahre alt, er hat noch drei Schwestern. „Selbstdisziplin und Pflichtgefühl“ wollte sein prinzipientreuer Vater ihm mitgeben, entgegen den Gewohnheiten britischer Adeliger schickte er ihn nicht auf eine private Eliteschule, sondern auf eine staatliche Grundschule. Die Kommilitonen an der Uni Newcastle, einer Art Boku: „Hugh? Ja, den kannten wir, wussten aber nicht, wer er war. Über seinen Titel und seinen Besitz sprach er nie.“ Hugh sei „mit dem längstmöglichen Silberlöffel im Mund geboren worden“, es reiche nicht aus, durchs Leben zu gehen und nur daran zu lutschen, so der Vater in einem „Independent“-Interview.

Viele Details weiß man über den Junior nicht, zuletzt engagierte er sich im Londoner Unternehmen Bio-Bean, das sich bemüht, aus alten Kaffeebohnen Biosprit herzustellen. Doch in Zukunft wird er sich mehr mit Immobilien beschäftigen müssen. Der Sohn scheint die strengen Maximen seines Vaters verstanden zu haben, er taucht in der britischen Klatschpresse kaum auf, zuletzt, als ihn William und Kate als Taufpaten ihres Sohnes George auswählten. Dass seine Fete zum 21. Geburtstag für 800 Gäste fünf Millionen Pfund gekostet hat, ist angesichts des Vermögens der Familie eine quantité négligeable.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2016)

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