Für 14 Mitarbeiter der Zeitung gibt es Haftbefehle, zwölf Personen wurden festgenommen, darunter Chefredaktuer Murat Sabuncu.
Nach der Schließung zahlreicher kritischer Medien gehen die türkischen Behörden nun gegen die wichtigste verbliebene Oppositionszeitung "Cumhuriyet" vor: Chefredakteur Murat Sabuncu und zahlreiche weitere Journalisten wurden am Montag festgenommen, wie die Zeitung berichtete.
Die Staatsanwaltschaft habe die Festnahme von 14 Mitarbeitern des Blattes wegen angeblicher Unterstützung terroristischer Organisationen angeordnet. Zwölf von ihnen seien am Montagvormittag festgenommen worden. Zwei weitere seien derzeit im Ausland, darunter der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay.
Zusätzlich zu den 14 Verdächtigen sei Ex-Chefredakteur Can Dündar, der im Exil in Deutschland ist, zur Fahndung ausgeschrieben worden, schrieb das Blatt. Dündars Haus in Istanbul sei durchsucht worden. Unter den Festgenommenen sei Bülent Utku, einer der Anwälte Dündars. Utku sitzt zugleich im Vorstand der "Cumhuriyet"-Stiftung.
Vorwurf: Unterstützung von PKK und Gülen
Nach der von "Cumhuriyet" veröffentlichten Mitteilung der Staatsanwaltschaft wirft diese der Leitung des Blattes vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung - wie auch die PKK - als Terrororganisation eingestuft.
Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP kündigte nach Angaben der Zeitung an: "Wir werden gemeinsam kämpfen." Der Chef der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, verkündete die Solidarität seiner Partei mit der "Cumhuriyet".
"Sie greifen die 'letzte Festung' an"
Die Zeitung "Cumhuriyet" war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Right Livelihood Award Stiftung hatte zur Begründung mitgeteilt: "Zu einer Zeit, in der die Meinungsfreiheit in der Türkei zunehmend bedroht ist, beweist die 'Cumhuriyet', dass die Stimme der Demokratie nicht zum Schweigen gebracht werden kann."
Vor knapp einem Jahr hatten die türkischen Behörden bereits den damaligen "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar und den Hauptstadt-Büroleiter des Blattes, Erdem Gül, festgenommen. Sie wurden im Mai wegen Veröffentlichung geheimer Dokumente zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Bis zum Berufungsverfahren kamen sie frei, Dündar hat inzwischen die Türkei verlassen und lebt in Deutschland im Exil. "Sie greifen die 'letzte Festung' an", schrieb er am Montag auf Twitter.
Gegen Dündar und Gül ist noch ein weiteres Verfahren wegen Unterstützung einer Terrororganisation anhängig. Die nächste Verhandlung in diesem Fall ist für den 16. November angesetzt.
Seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Juli hat die Regierung zahlreiche kritische Medien schließen lassen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten.
Erst am Wochenende waren in der Türkei weitere 10.000 Staatsbedienstete entlassen worden. Erdogan hatte nach dem gescheiterten Putsch "weitreichende Säuberungen" und ein harsches Vorgehen gegen Anhänger von Gülen angekündigt.
Kritik von EU-Parlamentspräsident
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat das Vorgehen der türkischen Regierung gegen "Cumhuriyet" scharf verurteilt. Mit der Festnahme von Murat Sabuncu sei eine "weitere rote Linie in Sachen Pressefreiheit überschritten worden", schrieb Schulz am Montag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
"Die 'Cumhuriyet' ist nicht irgendeine andere unabhängige Zeitung: Es ist die älteste säkulare Zeitung des Landes, eine Institution der Republik", betonte Schulz weiter. Die "anhaltenden massiven Säuberungen" scheinen politisch motiviert zu sein, und "nicht aus rechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen" passieren. Angesichts der Debatte über die Todesstrafe und anderer Repressalien sei das Ziel der türkischen Regierung "eher Polarisierung statt Einheit".
Die EU-Kommission wird unterdessen die jüngsten Entwicklungen in der Türkei mit zunehmenden Repressalien gegen Journalisten in ihrem nächsten Fortschrittsbericht analysieren. Eine Sprecherin erklärte am Montag in Brüssel, die Türkei müsse die "höchsten demokratischen Standards anstreben".
(APA/dpa)