So, lieber Karl-Heinz, ganz sicher nicht

Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser fehlte der politische Ziehvater, der ihm Grenzen aufzeigte.

Karl-Heinz Grasser hat schon besser ausgeschaut (vermutlich auch schlechter, aber da hat er sich nicht der Öffentlichkeit gezeigt). Das lange Haar war zwar wie immer perfekt gescheitelt, der Anzug saß maßgenau, die Krawatte harmonierte – aber unter den Augen sah man Ringe. Es ist anstrengend, um seinen guten Ruf zu kämpfen.

Am Dienstag tat es der ehemalige Finanzminister vor einer hungrigen Journalistenmeute in Wien. Eineinhalb Stunden lang erklärte er, relativierte, kommentierte, empörte sich, wies Anschuldigungen zurück und versicherte, nie irgendetwas von den seltsamen Deals seiner Freunde beim Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften gewusst zu haben.

Wer nach diesen 89 Minuten nicht fest davon überzeugt war, dass dieser Mann noch nie in seinem Leben auch nur eine Sonntagszeitung aus dem Hänger gestohlen hat, der hat nicht zugehört. Und das zeigte vor allem eines: welch enormes politisches Talent hier saß.

Karl-Heinz Grasser schaffte es als jüngster Finanzminister der Republik, die tiefroten, oft überheblichen Beamten des Ministeriums für sich zu gewinnen, er erreichte als Politiker Beliebtheitswerte, die mit denen von Hansi Hinterseer konkurrieren konnten, und er begeisterte mit Wolfgang Schüssel einen alteingesessenen, mächtigen Politiker, der bereit war, viel für das von ihm vergötterte Jungtalent zu opfern und ihn sogar zum Vizekanzler zu machen. Dass Grasser all das verspielt hat, zeigt etwas anderes: Es fehlte der politische Ziehvater, der ihm Führung und Lenkung gab, der ihm Grenzen aufzeigte und irgendwann einmal sagte: So, lieber Karl-Heinz, ganz sicher nicht!

Wer schon mit 25 Jahren Landeshauptmann-Stellvertreter ist und einen derart steilen Aufstieg ohne größere Rückschläge macht, der glaubt irgendwann, dass alles möglich ist, dass er sich alles erlauben kann. Der lebt irgendwann tatsächlich nach dem Motto des Cole-Porter-Musicals „Anything Goes“. Und genauso war es lange Jahre auch.

Da lässt sich der Finanzminister beispielsweise im Privatjet einer Firma zum Formel-1-Grand-Prix nach Monaco fliegen, die beim Verkauf einer Staatsfirma mitbietet. Mag schon sein, dass das nicht den strafrechtlichen Tatbestand der unerlaubten Geschenkannahme erfüllt und auch nicht den von Beeinflussung. Aber es sieht verdammt schlecht aus.

Die Aufregung darüber versteht er dann ebenso wenig wie die, als er sich bei einem Urlaubsflug kostenlos in die Business-Class upgraden lässt. Das steht ihm doch zu als Eigentümervertreter der AUA! Als Finanzminister! Als Karl-Heinz Grasser!!

Der Herr Minister lässt sich von einem Herrenausstatter die Anzüge sponsern, eine Huldigungs-Homepage zu einem Preis aufstellen, um den andere ein Haus bauen, und das Ganze dann von der Industriellenvereinigung zahlen. Den Auftrag für die Website bekommt eine Firma, die einem Freund gehört.

Oder er setzt als Finanzminister einen Immobilienmakler in den Aufsichtsrat der Bundeswohnbaugesellschaften, der bei der Übersiedlung von Behörden groß abkassiert, und nach seinem Ausscheiden aus der Politik macht er mit ebendiesem Makler gemeinsam ein Immobilienbüro auf. Oder das Ministerium engagiert eine Webfirma, bei der der Finanzminister Aktien hält. Das sieht alles sehr, sehr schlecht aus.


Niemand will dem 40-Jährigen unterstellen, in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen zu sein. Nicht nur, weil das bei ihm schnell zu einer Klage führt. Vielleicht war er ja wirklich einfach nur naiv. Vielleicht hat er sich wirklich nichts dabei gedacht, als er Anzüge, Upgrades und Vortragshonorare akzeptierte. Vielleicht hat er auf dem Flug zum Grand Prix tatsächlich nur Champagner geschlürft und über die Startaufstellung diskutiert.

Vielleicht hatte er ja wirklich keine Ahnung von den Geschäften seines Trauzeugen Walter Meischberger. Vielleicht haben die einst besten Freunde bei gemeinsamen Golfausflügen und Abendessen tatsächlich nie über den Buwog-Verkauf geredet. Vielleicht sind die Vorwürfe der direkten Einflussnahme auf den Verkauf wirklich nur die Racheaktion eines geschassten Mitarbeiters.

Aber Karl-Heinz Grassers großes Problem, das auch seinen Wiedereinstieg in die Politik verhindern wird, ist: Viele Menschen trauen es ihm zu.


norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2009)

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