Sturz in den weißen Abgrund

Doppeltes Feindbild: „Weiß auf Weiß“ malte Malewitsch 1918, ein Jahr nach der Oktoberrevolution. Bald darauf war es verfemt, in der Sowjetunion wie in Nazideutschland.
Doppeltes Feindbild: „Weiß auf Weiß“ malte Malewitsch 1918, ein Jahr nach der Oktoberrevolution. Bald darauf war es verfemt, in der Sowjetunion wie in Nazideutschland.(c) Museum of Modern Art
  • Drucken

Das derzeit in Paris ausgestellte Bild „Weiß auf Weiß“ von Malewitsch erzählt nicht nur von radikaler Kunst rund um die Oktoberrevolution. Sondern auch einen Krimi aus Nazideutschland.

Radikale Ästhetik und radikale Regime sind gegenseitige Nutznießer, lehrt die Kunstgeschichte. In der Phase des Aufbruchs. Auf Dauer aber gewinnen das Regime und sein Durchschnittsgeschmack. Das war so bei den Futuristen und Mussolini, der seinen revolutionären Mitstreitern dann das klassizistische Novecento vorzog. Ähnlich Adolf Hitler. Trotzdem ermöglichte er einer Leni Riefenstahl bisher Unmögliches. Lenins Revolution aber riss die Künstler zu den radikalsten Äußerungen hin – plötzlich schien alles möglich. Die russische Avantgarde hielt am Anfang nicht nur gesellschaftspolitisch innerhalb Russlands mit, trieb sie propagandistisch sogar voran, sondern hielt und hält im kunsthistorischen Rückblick ästhetisch international stand.

„Zu keinem anderen Zeitpunkt der Kunstgeschichte sind Schulen und Künstlervereinigungen mit so atemloser Hast gegründet worden wie in Russland zwischen 1910 und 1920. Jede Gruppe ist ein Programm, jedes Programm eine Kampfansage – an die Vergangenheit wie auch an die konkurrierende Gegenwart“, erklärte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder anlässlich der von ihm 2016 kuratierten Ausstellung „Chagall bis Malewitsch“. Die bolschewistische Revolution 1917 habe als Katalysator fungiert, „der viele Entwicklungen beschleunigt und in neue Richtungen gelenkt hat“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der letzte russische Zar Nikolaus II. und seine Familie. In der Nacht auf den 17. Juli 1918 wurden sie alle von den Bolschewiken ermordet. Im Jahr 2000 sprach die Russisch-Orthodoxe Kirche sie heilig.
Österreich

Alexis Rodzianko: „US-Sanktionen gegen Russland bleiben mindestens 20 Jahre“

Sein Urgroßvater matchte sich mit dem Prediger Rasputin um den Einfluss auf den letzten Zaren. Alexis Rodzianko selbst vertritt heute die US-Wirtschaft in Moskau. Ein Gespräch über Familienerinnerungen an die Revolution, die Sinnlosigkeit von Sanktionen − und warum die USA die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht verhindern werden.
Im Café Central waren sie alle – auch die Austromarxisten und Leo Trotzki.
Wien

Die Spuren der Revolution in Wien

Vor dem Umsturz in Russland war die Donaumetropole für die Protagonisten ein zentraler Drehpunkt. Man konnte sie bisweilen in Kaffeehäusern antreffen.
Die bürgerlichen Zeitungen hierzulande sahen in Lenin vor allem einen sozialistischen „Friedensbringer“. Das Gemälde von 1935 zeigt einen heroisierten Lenin mit Panzerwagen.
Zeitreise

Nur Putsch und Radau oder Rettung Europas?

Den österreichischen Zeitgenossen des Jahres 1917 war bewusst: In Russland vollzog sich mit dem Sturz des Zaren eine gewaltige Umwälzung, die krisengeschüttelte und kriegsmüde Monarchie fürchtete Fernwirkungen. Dass der Revolution eine kommunistische Diktatur folgen würde, nahm keiner an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.