Das derzeit in Paris ausgestellte Bild „Weiß auf Weiß“ von Malewitsch erzählt nicht nur von radikaler Kunst rund um die Oktoberrevolution. Sondern auch einen Krimi aus Nazideutschland.
Radikale Ästhetik und radikale Regime sind gegenseitige Nutznießer, lehrt die Kunstgeschichte. In der Phase des Aufbruchs. Auf Dauer aber gewinnen das Regime und sein Durchschnittsgeschmack. Das war so bei den Futuristen und Mussolini, der seinen revolutionären Mitstreitern dann das klassizistische Novecento vorzog. Ähnlich Adolf Hitler. Trotzdem ermöglichte er einer Leni Riefenstahl bisher Unmögliches. Lenins Revolution aber riss die Künstler zu den radikalsten Äußerungen hin – plötzlich schien alles möglich. Die russische Avantgarde hielt am Anfang nicht nur gesellschaftspolitisch innerhalb Russlands mit, trieb sie propagandistisch sogar voran, sondern hielt und hält im kunsthistorischen Rückblick ästhetisch international stand.
„Zu keinem anderen Zeitpunkt der Kunstgeschichte sind Schulen und Künstlervereinigungen mit so atemloser Hast gegründet worden wie in Russland zwischen 1910 und 1920. Jede Gruppe ist ein Programm, jedes Programm eine Kampfansage – an die Vergangenheit wie auch an die konkurrierende Gegenwart“, erklärte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder anlässlich der von ihm 2016 kuratierten Ausstellung „Chagall bis Malewitsch“. Die bolschewistische Revolution 1917 habe als Katalysator fungiert, „der viele Entwicklungen beschleunigt und in neue Richtungen gelenkt hat“.