Der SPÖ-Antrag weg vom "verpfuschten" Gesetz und zurück zum Dialog wurde abgelehnt. SP-Chefin Rendi-Wagner kritisierte, das Gesetz bediene nur die Großkonzerne. Die Regierung sieht den Standort gestärkt.
Die SPÖ verlangte in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats eine Rücknahme der Regeln zur Arbeitszeitflexibilisierung. Der "Dringliche Antrag" der Sozialdemokraten, in dem ein neuer Anlauf gefordert worden war, gemeinsam mit Sozialpartnern und Parlamentsparteien bis Jahresende moderne, praxistaugliche und für alle Betroffenen mit Rechtssicherheit ausgestattete Arbeitszeitregelungen herzustellen, wurde zum Abschluss der Sondersitzung des Nationalrats abgelehnt. Zustimmung kam nur von der Liste Pilz.
SP-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sagte in ihrer Rede, das Arbeitszeitgesetz sei eine Fehlkonstruktion. Der Regierung warf sie vor, dass ihr ihnen das Schicksal von Menschen, die ihren Job verlieren, egal sei. Die türkis-blaue Koalition sei, ganz im Gegenteil, den Konzernbossen verpflichtet und nicht den über drei Millionen Arbeitnehmern. Das Gesetz diene ausschließlich wenigen Unternehmern, bringe aber Nachteile für Millionen von Arbeitnehmern: "Arbeitende Menschen sind Ihnen einfach nichts wert."
Vorwurf: Gesetz durchgepeitscht
Mit dem Durchpeitschen des Gesetzes habe die Regierung das über Bord geworfen, was die Stärke der Republik in den letzten Jahrzehnten ausgemacht habe. Nämlich das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, sagte Rendi-Wagner. Dem ehemaligen Oppositionspolitiker und jetzigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der ebenfalls nicht anwesend war, warf sie vor, aus einer "asozialen leistungsfeindlichen Idee" ein Gesetz gemacht zu machen, "was sich die Leute wünschen". Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, der wegen eines Brüssel-Termins verhindert war, bekam ebenfalls sein Fett ab. Er habe "den Grundkonsens der zweiten Republik aufgekündigt". Dann soll er sich aber nicht mit solchen Reden wie in der Staatsoper hinstellen, so Rendi-Wagner.
Zum Schluss ihrer Rede appellierte die SPÖ-Chefin, das nachzuholen, was in den vergangenen Monaten verabsäumt wurde. Nämlich das Gesetz mit der Opposition und den Sozialpartnern neu zu verhandeln.
Schramböck: Immer "common sense"
Das will die Regierung aber nicht. Sie ist unverändert von der Arbeitszeitflexibilisierung überzeugt und sieht durch die erst jüngst umgesetzte Maßnahme den Standort gestärkt. Wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) in der Beantwortung des "Dringlichen Antrags" betonte, würden auch die Arbeitnehmer profitieren.
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit war immer "common sense", auch bei der Gewerkschaft, so die Wirtschaftsministerin. Alle waren eingebunden. Und auf den Vorwurf, dass das Gesetz so schnell, die SPÖ sprach von "Husch-Pfusch", umgesetzt wurde, darauf sei sie stolz so Schramböck.
Die Bedenken der Sozialdemokraten wischte die Ressortchefin jedenfalls vom Tisch. In Schweden könne man bis zu 13 Stunden pro Tag arbeiten und Gesundheit und Lebenserwartung seien besser als in Österreich. Zudem habe die Regierung die Freiwilligkeit sogar gestärkt, indem man ein generelles Ablehnungsrecht für Arbeitnehmer etabliert habe.
Argumentiert wird der Antrag von der SPÖ auch damit, dass sich im Zusammenhang mit dem "Zwölfstundentag" bereits erwiesen habe, dass von der versprochenen Freiwilligkeit keine Rede sein könne. Diese wurde in der Debatte jedoch kaum thematisiert. Verwiesen wurde im Vorfeld etwa auf eine Hilfsköchin in Wien, die gefeuert wurde, nachdem sie Zwölf-Stunden-Schichten verweigert hatte. Auch eine Firma in der Bundeshauptstadt, die bisherige Überstunden zu normalen zuschlagsfreien Stunden umwandelte oder ein Fall aus Salzburg, wo sich die Arbeitnehmer freiwillig und pauschal zur Wochenendarbeit verpflichten sollten, wurden angeführt.
Firmen sollen Ablehnungsrecht respektieren
Selbstverständlich müssen die angesprochenen Einzelfälle verfolgt werden, Schwarze Schafe habe es aber auch schon vorher gegeben, sagte Wirtschaftsministerin Schramböck. Das sei aber kein Grund dafür, das Gesetz in Frage zu stellen.
Sozialministerin Beate Hartinger Klein warnt davor, wegen einiger weniger Missbrauchsfälle, "alle redlichen Unternehmen unter Generalverdacht zu stellen". Das Gesetz sei ein guter Kompromiss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Mitarbeiter können Überstunden über zehn Stunden ohne Angabe von Gründen ablehnen. Den Firmen rät die Sozialministerin, das Ablehnungsrecht zu respektieren. Das Gesetz zu ändern, findet sie falsch. Weil damit würde man auch den Arbeitnehmern die ihnen zugestandene Flexibilität nehmen.
Die Klagen, dass die Sozialpartner nicht eingebunden worden seien, wies Hartinger-Klein gegenüber der Gewerkschaft zurück: "Ihr wolltet ewig verhandeln, die Chance habt ihr damals vergeigt. Man kann nicht kurz vor einer Einigung alles kippen."
Das sieht SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch gänzlich anders. "Fakt ist, dass Ihr Arbeitszeitgesetz nicht funktioniert, dass Arbeitnehmer zu zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche gezwungen werden", sprach er von einem "Husch-Pfusch-Gesetz". Dass die Zahl der Arbeitszeit-Verstöße laut Sozialministerium zurückgegangen ist, beeindruckt ihn nicht, habe das neue Gesetz doch vieles vorher Illegale legalisiert: "Das ist so, als würde ich bei der Autobahn von 130 auf 180 km/h gehen und hinten nach feiere ich, dass es keine Raser mehr gibt."
Regierung auf "hohem Ross"
ÖVP-Klubchef August Wöginger will dagegen gar nicht von einem Zwölfstundentag sprechen, denn schon vor der Reform seien zehn Stunden täglich möglich gewesen und trotzdem habe niemand von einem Zehnstundentag gesprochen. "Wir bleiben grundsätzlich beim Achtstundentag und der 40-Stunden-Woche." Die Reform war aus Wögingers Sicht nötig. "Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Wir wollen bleiben, Sie werden gehen", so der Klubchef in Richtung SPÖ.
Scharfe Kritik am "Husch-Pfusch-Gesetz" zur Arbeitszeit übte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Man habe der dringend notwendigen Flexibilisierung zwar zugestimmt, aber auch auf Fehler hingewiesen - und nun gebe es immer mehr Fälle von Rechtsunsicherheit. Sie forderte die Koalition daher auf "von ihrem hohen Ross runter" zu kommen und über Verbesserungen zu verhandeln, denn - in Abwandlung eines Mottos der Regierung Schüssel - "speed and ignorance kill".
(Red./APA)