Zwölf-Stunden-Tag: „Die Freiwilligkeit ist für den Hugo“

Pamela Rendi- Wagner verlangte von der Koalition, das Gesetz zum Zwölf-Stunden-Tag zurückzunehmen.
Pamela Rendi- Wagner verlangte von der Koalition, das Gesetz zum Zwölf-Stunden-Tag zurückzunehmen.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Die SPÖ schoss sich im Parlament auf die Koalition ein. Diese entgegnete, dass flexiblere Arbeitszeiten den Standort stärken würden.

Wien. Taferln, Rufe, Stimmengewirr: Es hatte ein bisschen was von einer Fußballstadionstimmung, die am Freitag im Nationalrat herrschte.

„Anfangen!“, schrie jemand aus dem Plenum, weil sich die Sitzung zunächst verzögerte. „Die Zuseher auf den Fernsehbildschirmen können die Diskussion so nicht verfolgen“, mahnte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka später, als mehrere Abgeordnete gleichzeitig etwas rufen wollten. „Sie können Ihre Taferln einpacken und vielleicht für die Sonnwendfeier im nächsten Jahr verwenden“, empfahl wiederum ÖVP-Klubchef August Wöginger den SPÖ-Mandataren.

Die Zahlen zwölf und 60 - jeweils durchgestrichen – waren auf den Taferln zu sehen. Sie standen für den Zwölf-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Arbeitswoche, deren Freiwilligkeit die Sozialdemokraten bezweifeln. Die SPÖ hatte deswegen im Parlament eine Dringliche Anfrage gestellt. „Die Freiwilligkeit ist für den Hugo“, drückte es SPÖ-Gewerkschafter Beppo Muchitsch aus. „Zuvor hatte bereits seine Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, die Regierung angegriffen. „Ihr Arbeitszeitgesetz ist schlecht, und Sie wissen das auch“, sagte Rendi-Wagner. Die ersten Monate seit Inkrafttreten der Novelle Anfang September hätten gezeigt, dass Arbeitnehmer gezwungen werden, zwölf Stunden pro Tag zu arbeiten.

Erbost war die Opposition darüber, dass Kanzler Sebastian Kurz sich nicht den Abgeordneten stellte. Er war wegen der Causa Brexit nach Brüssel geflogen und ließ sich kurzfristig von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) vertreten, die aber zu spät kam und die Sitzung um einige Minuten verzögerte. Dafür entschuldigte sich die Ministerin auch, während sie das Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung verteidigte.

„Ihr habt die Chance vergeigt“

Es gehe darum, den Standort zu stärken, betonte die Ministerin. Sie verwies auf das für seinen Sozialstaat bekannte Schweden. Dort sei es erlaubt, bis zu 13 Stunden am Tag zu arbeiten. Aber sowohl die Gesundheit als auch die Lebenserwartung seien dort besser als in Österreich. Die SPÖ solle die Vorteile der Novelle beherzigen und nicht „politisches Kleingeld wechseln“.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) nahm die Gewerkschaft in die Pflicht: „Ihr wolltet ewig verhandeln, die Chance habt ihr damals vergeigt“, erklärte sie. Nur, weil es ein paar Fälle geben soll, in denen das Gesetz missbraucht worden sei, wolle man nicht anderen die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeit nehmen. Die Vertreter der Koalition betonten, dass der Acht-Stunden-Tag die Norm bleibe und die SPÖ in der Regierung Kern auch Pläne zur Arbeitszeitflexibilisierung gehabt habe. Und der Zwölf-Stunden-Tag bleibe auf jeden Fall freiwillig.

Arbeitgeber würden sehr wohl den Zwölf-Stunden-Tag von ihren Mitarbeitern einfordern, meinte Daniela Holzinger von der Liste Pilz. Die Regierung sei vor der Wirtschaftslobby in die Knie gegangen. Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger verteidigte die Arbeitszeitflexibilisierung, der ihre Partei zugestimmt hatte. Es würden sich aber die Fälle der Rechtsunsicherheit häufen, kritisierte sie. Schuld daran sei die Koalition, weil sie das Gesetz so schnell durchpeitschen wollte. Türkis-Blau solle daher nun, „vom hohen Ross herunterkommen“ und Nachverhandlungen aufnehmen.

Eine Nachbesetzung gab es in den SPÖ-Reihen: Die Niederösterreicherin Katharina Kucharowits (35) übernahm das Mandat von Altkanzler Christian Kern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2018)

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