Die Zahl afrikanischer Katholiken hat sich in 25 Jahren verdreifacht. Viele suchen ihr Heil in der Kirche, verzichten aber nicht auf traditionelle Opfer.
Möge Gott Sie und Ihre Familie segnen und Ihnen Kraft und Gesundheit schenken!” Solche Nachrichten bekommt man in Afrika oft ohne jeden Anlass auf das Handy, einfach als „Bonjour“, als kleinen Gruß, von Bekannten. Und sie können sehr wohl auch von einem islamischen Freund kommen.
Von 100 Afrikanern sind heute 17 katholisch. Zwischen 1978 und 2004 hat sich die Zahl der Katholiken auf dem Kontinent von rund 55 Millionen auf fast 149 Millionen nahezu verdreifacht. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Bischöfe um 45Prozent, die der Priester sogar um 85Prozent. Das sind die Erfolge einer neuen Missionierungswelle, die die weißen Priester in Ruanda und Burundi schon früh verkünden ließen: „Le Saint Esprit souffle en tornade!“ – Der Heilige Geist weht wie ein Tornado.
Bis weit ins 20.Jahrhundert hinein hat die katholische Kirche ihr Missionsziel in Afrika vor allem als rettende Erleuchtung der „im Schattenreich von Götzendienst und Islam schmachtenden Seelen“ gesehen. Dabei kam es dann auch nicht so sehr darauf an, wie lange und wie gut die gerettete Seele nach der Erleuchtung noch lebte.
Die von vielen katholischen Hilfsorganisationen längst wirksam praktizierte Lebenshilfe in allen sozialen Bereichen und vor allem im Gesundheitswesen wird mit der Verspätung, die man vom Vatikan gewohnt ist, erstmals im Vorjahr Thema der zweiten Kontinentalsynode: „Die Kirche Afrikas im Dienste von Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit“. Auffällig ist dabei, dass dies dieselben Begriffe sind, die auch Afrikas Politiker besonders oft im Munde führen, wenn sie genau das Gegenteil im Sinne haben.
„Inculturation“ heißt das Schlagwort, unter dem die katholische Kirche sich besser zurechtfinden will in der Kultur und Tradition Afrikas. Dabei hat sie sich im Grunde viel mehr mit dem Wildwuchs der Erweckungssekten auseinanderzusetzen, die überall auf dem Kontinent immer mehr Anhänger bis in die Präsidentenpaläste finden.
Umgehen unliebsamer Gebote
Die afrikanischen Katholiken führen eine mühelose Kohabitation mit afrikanischen Traditionen. Und sie umgehen damit elegant auch manch unliebsames dogmatisches Gebot Roms: So heiraten viele Katholiken sicherheitshalber nur standesamtlich und nach traditionellem Brauch und entgehen dadurch Sanktionen bei einer späteren Scheidung. Auch das Opfer eines Huhnes oder Schafes beim Feticheur komplettiert bei vielen Gläubigen noch immer das Gebet in der Kirche.
„Ich habe geschworen, nicht zu heiraten, aber ich habe nicht geschworen, keusch zu leben“, erklärt so mancher junge Priester seine freizügige Interpretation des Zölibats. Und der Erzbischof von Cape Coast in Ghana, Kardinal Turkson, der auch Berichterstatter der zweiten afrikanischen Synode ist und sogar schon als möglicher erster schwarzer Papst im Gespräch war, erklärte in einem Interview auf die Frage, ob der Zölibat denn überhaupt mit afrikanischen Traditionen vereinbar sei, selbstverständlich setze die unter starkem Priestermangel leidende Kirche vor allem auf dem Lande auch verheiratete Diakone ein. Diese müssten jedoch mindestens drei Tage vor der Zelebrierung einer Messe keusch leben. Das klingt durchaus nach einem Fingerzeig aus Afrika nach Rom.
Als Papst BenediktXVI. 2009 Kamerun besuchte, brachte die Zeitung „Le Messager“ neben der Titelgeschichte zur Visite des Pontifex eine kleine Anmerkung zu der von ihm entfachten Kondom-Kontroverse: Die häufigste Todesursache bei Priestern in Kamerun sei Aids, wurde da berichtet, eher marginal, ganz ohne Häme.
Pompöser Lebensstil
Am zweiten Tag des Besuchs erschien die Geschichte „Das verborgene Gesicht der Bischöfe in Kamerun“. Sie fand wegen ihrer Brisanz auch international ein starkes Echo. „Le Messager“ lieferte darin eine bisher beispiellose Klassifizierung der Bischöfe nach vier Bewertungskriterien: pastorale Qualitäten, theologische Kenntnisse, Amtsführung und Lebensweise. Unter den bewerteten Geistlichen wurden der Mehrzahl Kompetenz und auch Zivilcourage im offenen Kampf gegen Machtmissbrauch und Korruption im Staatsapparat bescheinigt.
Bei immerhin acht Kirchenfürsten hingegen sparte „Le Messager“ nicht mit bissigen Bewertungen: Von der Liebe zu Geld, großen Luxuswagen und Palästen war da ebenso die Rede wie von Gier und Gerissenheit, schlampigem und eigennützigem Umgang mit den Geldern ihrer Diözese, von mittelmäßigen bis erbärmlichen pastoralen und theologischen Qualitäten, Überheblichkeit und Aggressivität. Auch die Schwäche gegenüber dem sogenannten schwachen Geschlecht war Thema wie auch die ethnische Vetternwirtschaft. Der Sekretär der Bischofskonferenz sollte sogar eine Frau und drei Kinder zu ernähren haben.
Kirchliche wie weltliche Macht sind in Afrika offenbar anfällig für sehr ähnliche Versuchungen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2010)