Forste, Felder, Zinshäuser: Österreichs Kirche sitzt auf einem immensen Vermögen. Aber es wirft wenig ab. Nur wenige Stifte haben den Strukturwandel geschafft.
Wien. Der Befehl von oben klingt ziemlich klar: Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen. Dennoch hat der Klerus mit dem verfemten Dämon kokettiert, kooperiert, oft auch einen Kotau vor ihm gemacht. Ist aber Österreichs Kirche, als Resultat von über tausend Jahren gelebter Widersprüche, reich zu nennen? „Sic et non“, wie schon der Mönch Peter Abaelard sein Standardwerk der Bibelauslegung nannte – ja und nein.
Reich erscheint Österreichs Kirche aufgrund ihrer Besitztümer. Mit 200.000 Hektar Land – der Fläche von Osttirol – ist sie der zweitgrößte Grundbesitzer nach den Bundesforsten. Dazu kommen unschätzbare Kulturgüter, Immobilien und auch Wirtschaftsbetriebe. Deutlich mehr als den neun Diözesen gehört dabei den Stiften und Klöstern, die weitgehend autonom von der Amtskirche agieren – auch wirtschaftlich, weil sie sich ohne Kirchenbeiträge, aus eigener Kraft finanzieren müssen.
Strukturwandel verschlafen
„Die Diözesen sind ganz dem Kirchenvolk verpflichtet“, erklärt Abt Henckel-Donnersmarck von Heiligenkreuz, „die Stifte aber sind, provokant formuliert, ein Privatvergnügen.“ Sie hatten viel Zeit zum Vermögensaufbau. Die Regeln der alten Orden – Augustiner, Zisterzienser und Benediktiner – erlauben auch ein entspannteres Verhältnis zu materiellen Dingen als etwa bei den jüngeren Franziskanern. Anders als in Frankreich oder Deutschland kamen ihnen keine Revolutionen in die Quere.
Einzig Kaiser Josef II. wagte Ende des 18. Jahrhunderts Säkularisierungen. Davon blieben aber alle Klöster verschont, die sich nicht nur ums Gebet, sondern auch ums Gemeinwohl kümmerten – indem sie Schüler unterrichteten oder Kranke pflegten.
Betrachtet man freilich die laufenden Einnahmen, sind auch wohlhabende Konvente oft fast so arm wie Kirchenmäuse. Das liegt daran, dass ihre klassischen Assets – Wälder und Felder – längst keine Goldgruben mehr sind.
Damit bleibt ihr Reichtum oft ein theoretischer. Für barocke Altäre findet sich so schnell kein Abnehmer. Und würden Orden große Teile ihres Grundvermögens auf den Markt werfen, hätte das einen desaströsen Preisverfall zur Folge. Immerhin: Sie könnten noch Jahrhunderte davon leben, ihre Aktiva Stück für Stück zu versilbern.
Nur wenige Stifte haben den Strukturwandel geschafft und sich zu dynamischen Wirtschaftsbetrieben gemausert. Ein Paradebeispiel ist Admont. Noch in den 30er-Jahren stand das steirische Stift kurz vor dem Bankrott. Die Preise für Baumstämme und Getreide waren im Keller, die Benediktiner mussten Kunstwerke verkaufen, um sich über Wasser zu halten. Aus diesem Schock zogen sie ihre Lehren. Den Launen einzelner Märkte wollten sie nicht mehr hilflos ausgesetzt sein. Aber auch das christlich-soziale Gewissen plagte sie: In Wald und Feld ersetzten zunehmend Maschinen die menschliche Arbeitskraft.
Seit den 70er-Jahren wird deshalb in Admont diversifiziert. Erst in die Holzverarbeitung: Stia Dielenböden und Dana Haustüren. Später auch in Kleinkraftwerke, Skilifte und großstädtische Immobilien. Die Dana wurde 2005 erfolgreich zu Geld gemacht, die Stia macht weiter um die 60 Mio. Euro Umsatz im Jahr – und solide Gewinne. „Es wäre falsch, das Profitstreben im Vorfeld auszuschließen“, meint der wirtschaftliche Leiter Helmuth Neuner. „Der Unterschied zu anderen Firmen liegt in der Gewinnverwendung. Der Überschuss wird reinvestiert und für das Gemeinwohl eingesetzt“ – für Gymnasium, Pflegeheime, ein neues Museum. Wäre der Neid nicht eine Todsünde, würden manche Äbte wohl nicht nur mit Wohlwollen nach Admont blicken.
Groß im Geschäft ist sonst nur noch Klosterneuburg, vor allem mit seinen 60 Mietshäusern in Wien und Umgebung. Schlägl ist stolz auf seine Brauerei. Anderen Stiften geht es mehr schlecht als recht. Rein und Geras sind in der Vergangenheit sogar in die Schuldenfalle geraten. Da mussten dann auch wohlhabende Stifte einspringen, wonach ihnen sonst – bei aller christlichen Solidarität – nicht der Sinn steht.
Zumindest stabil ist die Finanzlage der neun Diözesen. Um die 490 Mio Euro haben sie 2009 eingenommen (genaue Zahlen liegen Ende April vor). Vier Fünftel davon kommen aus den Kirchenbeiträgen, der Rest aus Miet- und Pachteinnahmen sowie staatlichen Entschädigungszahlungen für NS-Enteignungen.
Weniger Schäfchen, mehr Beitrag
Da die Mitgliedsbeiträge des Vereins Kirche einheitlich mit 1,1 Prozent des zu versteuernden Einkommens angesetzt werden, sollten sie zumindest inflationsgeschützt sein – wären da nicht die hohen Austrittszahlen. Dennoch kam im Vorjahr um gut zwei Prozent mehr herein. Eine wundersame Vermehrung? Nein, weiß Josef Weiss von der Erzdiözese Wien: „Wir haben unsere Außenstände reduziert.“ Nicht durch mehr Klagen, sondern durch ein Werk der Barmherzigkeit: einen teilweisen Schuldenerlass für reuige Zahler.
Was hereinkommt, wird auch ausgegeben: „Wir sind kein Sparverein“, sagt Weiss. 60 Prozent für die Entlohnung von Priestern und Laien, der Rest für Renovierungen und Sachaufwand. Falls doch etwas übrig bleibt, wird es rückgelegt. Im Übrigen werde, zumal in der von den Austritten besonders stark betroffenen Diözese Wien, eisern gespart. Meist dadurch, dass geplante Renovierungen von Kirchen hinausgeschoben werden.
Zweifel, dass sie das biblische Schiffstau nicht durch das Nadelöhr bringen könnten, haben die kirchlichen Vermögensverwalter nicht. „Ich orientiere mich an der Sozialenzyklika des Papstes“, beteuert Neuner in Admont. „Da steht nicht drin, dass man nichts besitzen darf oder dass alles verteilt werden soll. Es geht darum, mit Vermögen verantwortungsvoll umzugehen, zum Nutzen der Gemeinschaft.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)