EZB bei Nacht

Knappe EZB-Entscheidung: Viel Gegenwind für Draghi

Der Beschluss, die Geldpolitik weiter zu lockern, stieß im EZB-Rat auf heftigen Widerstand. Die Notenbankchefs einiger Länder, darunter auch Österreichs Robert Holzmann, waren dagegen. Auch andere Ökonomen und Banker üben Kritik.

Im EZB-Rat dürften am Donnerstag die Fetzen geflogen sein. Denn EZB-Präsident Mario Draghi ist Insidern zufolge mit dem Vorschlag zur erneuten Auflage der Anleihenkäufe auf starke Opposition in der Zinssitzung gestoßen. Die Mehrheit für eine Wiederbelebung der Transaktionen sei im EZB-Rat knapp gewesen, sagten mit der Situation vertraute Personen. 

Zu den Gegner der weiteren Lockerung der Geldpolitik zählten Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Frankreichs Notenbank-Gouverneur Francois Villeroy de Galhau sowie auch EZB-Direktor Benoit Coeure. Auch der neue Chef der Oesterreichischen Nationalbank, Robert Holzmann, soll sich gegen neue Anleihenkäufe ausgesprochen haben. Widerstand sei auch von Vertretern der Niederlande und Estlands gekommen.

Die Vertreter Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande repräsentieren allein mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung und der Bevölkerung der Eurozone. Insidern zufolge argumentierte eine zweistellige Zahl des 25-köpfigen Gremiums gegen die von Draghi vorgeschlagenen Maßnahmen. Eine formelle Abstimmung fand nicht statt. Einen so großen Widerstand habe es in den acht Jahren Amtszeit von Draghi noch nicht gegeben, hieß es.

OeNB-Chef: „Es ist nicht nachhaltig"

Holzmann sagte im Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg, bei der Entscheidung habe es sich möglicherweise um einen Fehler gehandelt: "Das ist mir definitiv durch den Kopf gegangen", so Holzmann. Andere EZB-Ratsmitglieder hätten ähnlich gedacht. "Einige Mitglieder des Rates hätten die Überlegungen geäußert, dass ein Weitergehen im negativen Bereich nicht der richtige Weg ist", kommentierte Holzmann die aktuellen EZB-Maßnahmen. "Es ist nicht nachhaltig."

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Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss auf dem Zinstreffen in Frankfurt, ihre Anleihenkäufe wieder aufzunehmen, die bis zu ihrer Einstellung Ende Dezember 2018 ein Volumen von 2,6 Billionen Euro erreicht hatten. Ab November sollen pro Monat nun neue Zukäufe im Umfang von 20 Milliarden Euro hinzukommen. Die Transaktionen sollen erst dann gestoppt werden, wenn die Notenbank kurz vor einer Zinserhöhung steht.

Neue Anleihenkäufe galten bereits vor der EZB-Zinssitzung als umstritten. Ökonomen räumen ein, dass es für Private immer schwieriger wird, Vermögen aufzubauen - was letztlich der gesamten Volkswirtschaft schadet. Ob im Gegenzug Firmen und Private mehr billiges Geld in Form von Krediten aufnähmen und investierten, sei fraglich.

Negativzinsen bald auch für Private?

Die Null- bzw. Negativzinsen stoßen naturgemäß vor allem bei den Banken auf Kritik. Bundesbank-Bankenaufseher Joachim Wuermeling zeigte sich „alarmiert“ über die  anhaltenden Ultratiefzinsen im Euro-Raum. Traditionell hätten Kreditinstitute den größten Anteil ihres Ertrages aus dem Zinsgeschäft gezogen, sage er dem Magazin „Focus“.

Laut Wuermeling verdienten Deutschlands Kreditinstitute 1990 mit 100 Euro verliehenem Sparguthaben noch 1,72 Euro. Heute seien es weniger als ein Euro. Es wundere nicht, dass Banken höhere Gebühren verlangen und über Negativzinsen auch für Privatkunden nachdächten. „Das kann betriebswirtschaftlich und aus Sicht der Bankenaufsicht sogar notwendig sein.“

(eid/Reuters)

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